Die Afghanin Zahra Jafari hat ihren in Iran lebenden Vater zuletzt 2015 gesehen. «Er ist alt geworden und mir fehlt seine Umarmung», sagt Zahra. Sie möchte ihn nach all diesen Jahren unbedingt wieder einmal sehen.
Die 38-Jährige wohnt mit ihrem Mann und den zwei Kindern im Kanton Luzern. Vor zwölf Jahren kam sie in die Schweiz, derzeit macht sie eine Ausbildung zur Fachangestellten Gesundheit.
Ihr afghanischer Pass ist abgelaufen. Erneuern kann sie ihn nicht, niemand kann ihre afghanische Identität bestätigen. Denn auch ihr Vater hat nach fast 50 Jahren in Iran keine gültigen afghanischen Papiere mehr.
Negative Antworten drücken aufs Gemüt
Zahras Hoffnung liegt daher bei den Schweizer Behörden: Wieder und wieder hat sie in den letzten Jahren ein Gesuch für ein Reisedokument gestellt. Die jeweils negativen Antworten konnte sie nur schwer ertragen. «Es hat mich und die Familie jeweils sehr belastet», sagt sie.
Zahra ist eine von vielen Afghaninnen und Afghanen, die weder in ihrem Heimatland noch in der Schweiz Reisedokumente besorgen können.
Beim Staatssekretariat für Migration SEM heisst es auf Anfrage, im Jahr 2022 seien gut tausend entsprechende Gesuche von afghanischen Staatsangehörigen eingegangen. Davon würden allerdings nur rund zehn Prozent gutgeheissen.
Beschaffung eines Passes nicht möglich
Das SEM ist bisher davon ausgegangen, dass sich die Situation in Afghanistan auch nach der Machtübernahme der Taliban vor zwei Jahren stetig verändert. Es sei für Betroffene daher nicht «nachhaltig unmöglich», einen afghanischen Pass zu beschaffen, so das SEM.
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Diese Einschätzung wird das SEM nun überprüfen. Denn das Bundesverwaltungsgericht hat im Urteil festgehalten, dass es für afghanische Staatsangehörige derzeit nicht möglich sei, Reisepässe aus ihrem Heimatland zu beschaffen.
Anwalt: SEM muss seine Praxis ändern
Das Urteil basiert auf einer Beschwerde, die die Basler Rechtsberatungsstelle der Hilfsorganisation Heks für einen betroffenen Afghanen eingereicht hatte.
Nach Meinung des Leiters der Rechtsberatungsstelle, Ruedy Bollack, müsste das SEM solche Fälle künftig anders beurteilen. «Das Urteil ist sehr klar und zeigt gut auf, in welcher Situation sich Personen befinden, die sich ausserhalb Afghanistans Reisedokumente beschaffen müssen.»
Das sei schon vor der Machtübernahme der Taliban schwierig gewesen. Doch seither sei es unmöglich geworden. Nach dem Urteil werde es sich für viele Afghaninnen und Afghanen in der Schweiz nun lohnen, ein neues Gesuch für Reisepapiere beim SEM einzureichen, so Bollack.
Neues Gesuch bereits eingereicht
Zahra Jafari hat das getan, direkt nachdem sie von dem Urteil gehört hat. Kurz zuvor hatte sie noch ein emotionales Video in den sozialen Medien veröffentlicht und war erstaunt darüber, wie viele Nachrichten sie von anderen Afghaninnen und Afghanen in der Schweiz erhielt. «Sie alle sind in derselben Situation wie ich.»
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Jetzt weiss Zahra, dass sie nicht allein ist. Zudem hat sie nun wieder Hoffnung, dass sie ihren Vater doch bald in Iran besuchen kann.