Ein Samstagabend in der Roten Fabrik in Zürich: Bässe wummern aus grossformatigen Boxen, Menschen tanzen zu Hardcore-Techno, lassen sich treiben und den Alltag hinter sich. Einige sind aufgeputscht, haben Drogen konsumiert wie Ecstasy, Cannabis oder Kokain.
An diesem Abend ist auch Dominique Schori mit seinem Team vom Drogeninformationszentrum vor Ort. Mit einem mobilen Labor bieten sie an, Drogen zu testen, denn «man wolle so den Leuten die Möglichkeit geben, dass sie risikoarm konsumieren können», erklärt Schori.
Denn konsumiert wird viel, sehr viel. Nicht nur an diesem Abend in der Roten Fabrik. Genaue Zahlen über den Kokainkonsum in der Schweiz gibt es nicht. Weil es ein illegaler Markt ist, spielt sich vieles im Verborgenen ab.
Wir stellen fest, dass mehr und häufiger Kokain konsumiert wird.
Kokain ist keine Droge von Bankerinnen oder Managern, sondern werde mittlerweile von breiten Bevölkerungsschichten konsumiert, so Schori: «Kokain ist in grossen Mengen vorhanden, von guter Qualität, billig und leicht zu beschaffen.» Das zeigte sich bereits in den letzten Jahren, wie auch Studien aus Abwasserdaten bestätigten.
Hinzu kommt nun jedoch, dass das Kokain immer einfacher per Mausklick oder Tippen und Wischen mit dem Daumen bestellt werden kann.
So kommt das Kokain in die Schweiz
Private Kontakte seien noch immer am wichtigsten, um Drogen zu erhalten: Also jemand, der jemanden kennt, der mit Kokain handelt, erklärt Dominique Schori, der die letzte Stufe des Drogenhandels besonders nah miterlebt: Wenn der Stoff das letzte Mal die Hand wechselt. 70 Prozent des Bezugs lief 2020 über private Kontakte, zeigt eine Studie des Züricher Drogeninformationszentrums. 2014 waren es sogar 84 Prozent.
Noch immer gibt es den Verkauf auf der Strasse, auf der Gasse. Der macht jedoch nur gut 3 Prozent des Bezugs aus. Relativ neu ist jedoch der immer grösser werdende Verkauf über digitale Kanäle wie Darknet-Shops oder Messenger-Dienste wie Telegram. Das habe in den letzten zehn Jahren massiv zugenommen, so Schori. In Zahlen ausgedrückt: Der Anteil Personen, die angeben, ihre Substanzen online zu kaufen, hat sich verzehnfacht – von 2 auf 20 Prozent.
Nach der Bestellung über das Darknet oder über soziale Netzwerke kommt das Kokain bequem per Post oder Kurier: Unkompliziert und direkt nach Hause geliefert.
Das Kokain kommt aus Südamerika, vor allem aus Kolumbien, Bolivien und Peru. Von den Plantagen und den Drogenlabors geht es dann meistens über den Seeweg nach Europa.
Und es kommt immer mehr Stoff. Das zeigt der «European Drug Report»: Hat die Polizei im belgischen Antwerpen vor gut zehn Jahren noch fünf Tonnen Kokain beschlagnahmt, sind es inzwischen 116 Tonnen.
Per Auto, Zug oder Bus gelangt das Kokain dann in die Schweiz, wird verkauft und konsumiert. Dieses Geschäft kennt Bernhard Stettler gut. Er ist seit 30 Jahren Drogenfahnder bei der Stadtpolizei Zürich. Sein Kampf ähnle jenem gegen Windmühlen. Trotzdem arbeite er nach dem Grundsatz, dass sich Verbrechen nicht lohnen dürfe.
Früher oder später erwischen wir jeden Dealer einmal.
Der steigende Verkauf von Drogen im Internet bereitet Bernhard Stettler allerdings Sorgen. Während der Verkauf von illegalen Substanzen über die digitalen Kanäle zugenommen habe, seien die polizeilichen Mittel im Kampf dagegen jedoch eingeschränkt, so Stettler.
Kampf gegen digitalen Drogenkauf schwierig
«Weil es in einem Raum stattfindet, bei dem man Massnahmen anwenden muss, die genehmigt werden müssen. Und da müssen wir zuerst einen Tatverdacht erklären, damit das überhaupt erlaubt wird.», so Stettler.
Wir können bei der Fahndung im Internet nicht einfach so im Trüben fischen.
Einfach so im Trüben fischen, zum Beispiel eine Wohnung observieren und warten, bis ein Dealer oder eine Dealerin den Stoff verkauft, ist im digitalen Raum nicht so einfach möglich.
Der Verkauf passiert versteckt, die Zahlung ist anonym und auch Dealer und Käuferin begegnen sich oft nicht: Häufig werden die Drogen per Kurier geschickt oder per Post. Und hier gilt dann auch noch das Postgeheimnis.
Leicht verfügbar, in grossen Mengen vorhanden und hinzukommt, dass auch die Qualität immer besser werde: Das würden die Resultate des mobilen «Drug Checkings» zeigen, sagt Dominque Schori vom Drogeninformationszentrum Zürich.
Die mobilen Drogentests werden von Dealerinnen und Dealern auch bewusst für den Online-Verkauf als Werbung genutzt. So sei bei einigen Stoffen zu lesen, dass sie beim mobilen Drogencheck der Stadt Zürich getestet worden seien.
Ob der Test aber tatsächlich gemacht wurde und von wem, ist unklar, betont Schori. Rückverfolgen kann dies die Käuferin oder der Käufer nicht.
Professioneller Auftritt trügt
Aufgrund des professionellen Auftritts online würden viele Konsumentinnen und Konsumenten zudem davon ausgehen, dass sie qualitativ hochwertige Substanzen erwerben. Der Schein trüge: Fehldeklarationen und teils gefährliche Streckmittel seien genauso häufig, betont das Drogeninformationszentrum.
Gleichzeitig seien die Preise stabil geblieben. «Das bedeutet, wenn zwei Personen sich ein Gramm Kokain kaufen, können sie damit eine Nacht feiern. Das heisst: 50 Franken pro Person. So viel kosten drei Gin-Tonics an der Bar», rechnet Schori vor. Und das führe eben auch dazu, dass sich breite Bevölkerungsschichten Kokain leisten können.
Ein Gramm Kokain kostet in Zürich auf der Gasse 100 Franken.
Kokain sei mittlerweile nach dem Cannabis die beliebteste Droge, sagt Dominque Schori. Das weisse Pulver, das über verschlungene Wege und durch viele Hände in die Schweiz kommt: Zu diesen Leuten, die sich davon berauschen lassen wollen, weil es aufputscht und euphorisiert. Ein Stoff, der aber auch sehr gefährlich ist, weil er schnell und stark süchtig macht.