Viele Musliminnen und Muslime in der Schweiz sind enttäuscht und besorgt, nachdem die Schweizer Stimmbevölkerung das Verhüllungsverbot angenommen hat. Sie sehen im Abstimmungsresultat ein generelles Misstrauen gegenüber ihrer Religion und fürchten weitere Einschränkungen.
Wir schauen in die Zukunft und machen das Beste daraus.
«Eine Enttäuschung ist natürlich da, von einem Schmerz würde ich nicht sprechen», sagt Muris Begovic, Imam und Geschäftsführer der Vereinigung der Islamischen Organisationen in Zürich (Vioz). Natürlich respektiere er den Volksentscheid für das Verhüllungsverbot: «Wir schauen in die Zukunft und machen das Beste daraus.»
Direkt betroffen vom Verhüllungsverbot sind in der Schweiz nur wenige Frauen. Für diese habe das Gesetz natürlich eine wichtige Bedeutung, so Begovic. «Für die Musliminnen und Muslime im Allgemeinen ist es aber die Symbolpolitik, die Angst macht.»
Das Problem seien also nicht die konkreten Schritte, sondern die Diffamierung und der immer mehr aufkommende anti-muslimische Rassismus. Das mache Angst: Eine Symbolpolitik, wo das eine gesagt werde, aber hundert andere Sachen damit gemeint seien, präzisiert der Imam.
Klage für Vioz kein Thema
Dass es zu weiteren Einschränkungen kommt, etwa einem Kopftuchverbot an Schulen, glaubt Begovic nicht. Da schaue er auch angesichts des knappen Resultats doch positiv in die Zukunft.
Dass die Jungen Grünen nun mit einem Menschenrechtsanwalt notfalls vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof ziehen wollen, sei für seine Organisation im Moment kein Thema: «Ich denke nicht, dass wir diesen Schritt gehen werden: Wenn jemand das tut, dann sollen es die Direktbetroffenen machen.»
Und die Befürworterinnen in den eigenen Reihen?
In der Schweiz gibt es auch Musliminnen und Muslime, die das Verhüllungsverbot begrüssen – als starkes Signal gegen den radikalen Islam und eine totalitäre Ideologie. Für den Imam liegt gerade darin wieder das Problem der Symbolik: «Man kann alles darin verpacken – samt Terrorismusbekämpfung. Wir haben keinen Einfluss darauf.»
Wenn jemand radikal sein will, kann er auch anders gekleidet sein.
Auch in der Schweiz gibt es radikal-islamistische Strömungen. Das Verbot eines bestimmten Kleidungsstücks sei aber nicht das richtige Mittel, so Begovic. Denn wenn jemand radikal sein wolle, hänge das nicht von der Kleidung ab.
Besser sei es deshalb, mit Musliminnen und Muslimen zusammenzuarbeiten, statt nur über sie zu reden und aufgrund von Vermutungen Gesetze zu erlassen, ist der Imam überzeugt: «Unsere Dachverbände und die organisierten Musliminnen und Muslime stellen sich zur Verfügung und arbeiten bereits mit den Behörden zusammen. Wir tun schon sehr viel.»