Es läuft dem vielstimmigen Lamento zum Fachkräftemangel etwas entgegen: Wenn Frauen nach einer Familienpause wieder arbeiten möchten, dann ist das oft alles andere als einfach. Deshalb fordern Gewerkschaften jetzt eine nationale Strategie, um diesen Wiedereinstieg zu unterstützen. Wenn diese Frauen in höheren Pensen oder in höher qualifizierten Jobs tätig wären, würde das auch besagtem Fachkräftemangel entgegenwirken.
Es fehlen subventionierte Kinderbetreuungsplätze, es braucht Teilzeitstellen, und es braucht Weiterbildungsmöglichkeiten.
Zum Beispiel Angela Steffen. Sie hat eine Lehre in der Pflege gemacht und dann vier Söhne bekommen. Nach 19 Jahren Familienpause wollte sie zurück in ihren Beruf. In Spitälern fand sie trotz Fachkräftemangel keinen Job. «Ich brauche fixe Arbeitstage, damit ich die Kinderbetreuung organisieren kann», sagt sie gegenüber SRF.
Nationale Strategie gefordert
Laut einer Studie kehren jedes Jahr zwischen 9000 und 12'000 junge Mütter nach der Geburt unfreiwillig nicht an ihren Arbeitsplatz zurück. Deshalb fordern die Gewerkschaften eine nationale Strategie, um diesen Wiedereinstieg zu erleichtern.
Laut Valérie Borioli Sandoz, Leiterin Gleichstellungspolitik bei Travailsuisse, sind diese Frauen «oftmals Opfer einer sogenannten informellen Entlassung». Arbeitgeber würden sie «auf subtile Weise» dazu drängen, ihren Arbeitsplatz zu verlassen.
Auf der Grundlage einer Analyse stellt Travailsuisse nun zehn Forderungen. Vier davon betreffen Anpassungen bei der Arbeitslosenversicherung (ALV). Gefordert wird etwa die Verlängerung der ALV-Rahmenfristen, damit mehr Wiedereinsteigende Taggelder der ALV beziehen und an arbeitsmarktlichen Massnahmen teilnehmen. Je eine Forderung betrifft die Beratung durch kantonale Berufs-, Studien- und Laufbahnberatungen und die Finanzierung von direkten und indirekten Kosten des beruflichen Wiedereinstiegs. Ausserdem sollten Statistiken und generelle Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessert werden. Bei den Rahmenbedingungen werden u.a. institutionelle familienergänzende Betreuung, familienfreundliche Arbeitsbedingungen und Elternurlaub erwähnt.
Für die Präsidentin der Gewerkschaft Syna, Yvonne Feri, hapert es vor allem auch an der Kinderbetreuung: «Es fehlen subventionierte Kinderbetreuungsplätze, es braucht Teilzeitstellen, und es braucht Weiterbildungsmöglichkeiten. Wenn wir in diesem Paket weitergehen, dann kommen auch mehr Frauen in den Arbeitsmarkt zurück.»
Wo es betriebliche Möglichkeiten erlauben, sollen die Unternehmen auf individuelle Bedürfnisse Rücksicht nehmen.
Daniella Lützelschwab vom Arbeitgeberverband ist jedoch der Meinung, dass eine nationale Strategie nicht nötig sei. Denn Arbeitgebenden seien oftmals die Hände gebunden: «Wo es betriebliche Möglichkeiten erlauben, sollen die Unternehmen auf individuelle Bedürfnisse Rücksicht nehmen. Wenn sie aber beispielsweise Schichtpläne erstellen müssen, dann müssen Arbeitgebende auch auf die Bedürfnisse anderer Mitarbeitenden Rücksicht nehmen. Sie können dann an ihre Grenzen stossen.»
Angela Steffen hat so schliesslich einen Job bei einem Arzt gefunden. Die Pflegefachfrau schaffte den Wiedereinstieg mithilfe der Non-Profit-Organisation Frac, die ihr auch eine Weiterbildung ermöglicht hat. Am liebsten würde sie aber zurück ins Spital. Sie wünscht sich mehr Flexibilität. «Dasselbe, was sie von uns verlangen.»