Das Wort «Tages-Anzeiger» ist ein Zungenbrecher für die Moderatorin des grössten russischen Fernsehsenders, als sie einen Bericht über die Enthüllungen der Schweizer Zeitung ankündigt. Verständlich, so sorgte kein Schweizer Medium jemals zuvor für derartige Schlagzeilen in Russland.
Der Vorwurf, dass Russland auf das Labor Spiez zwei Spione angesetzt habe, wiegt schwer. Doch in seiner Berichterstattung lässt der staatliche Sender weder Journalisten, noch Behörden aus der Schweiz zu Wort kommen. Ebenfalls schweigt sich der Russische Sender darüber aus, dass der russische Botschafter bereits dreimal in diesem Jahr vom Schweizer Aussenministerium einberufen wurde.
Statement stellt den bisherigen Umgang in Frage
Der russische Botschafter hat sich zuvor mehrmals auf der Facebook-Seite der Vertretung in Bern entrüstet geäussert: «Wir betrachten jede derartige Erfindung als schlichtweg absurd und als einen weiteren Versuch russophobe Stimmung anzuheizen.»
Damit unterstellt der russische Botschafter nicht nur den Journalisten, ihre Recherchen erfunden zu haben, sondern bezichtigt indirekt auch die Schweizer Behörden, welche die Berichterstattung bestätigten, Unwahrheiten zu verbreiten. Dieses Statement stellt den bisherigen Umgang der Schweiz mit Russland in Frage.
Schweiz auf Neutralität bedacht
Im Gegensatz zu 27 anderen Staaten weltweit, darunter 18 EU-Mitgliedern, wies die Schweiz keinen einzigen Diplomaten nach dem Giftanschlag auf den Ex-Doppelagenten Skripal aus. Ihren eigenständigen Kurs verfolgte die Schweiz seit Beginn der massiven Verschlechterungen der Beziehungen zwischen Russland und dem Westen vor vier Jahren.
Auf Neutralität bedacht, erliess die Schweiz gegen Russland keine direkten Sanktionen. Sie verabschiedete lediglich ein Paket von Massnahmen, welche verhindern sollen, dass die Schweiz zur Europäischen Hintertür wird, um die Sanktionen zu umgehen. Nicht zuletzt deswegen dürfte die Schweiz das einzige Land in ganz Europa sein, dass von Putin nicht mit Gegensanktionen belegt wurde.
Russland fand bisher neben Österreich auch mit der Schweiz einen auf diplomatische Beziehungen bedachten Ansprechpartner in Europa. Doch statt beschwichtigend auf die Vorwürfe zu reagieren, hat sich das offizielle Russland für eine Konfrontation mit Schlagworten entschieden.
Auf der Webseite des staatlichen Fernsehsenders wird in der Zwischenzeit aus den Kommentarspalten des «Tages-Anzeigers» zitiert: Leser der Schweizer Zeitung würden bereits «Fake News» hinter deren Berichten vermuten.