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Nach Unwetter in Brienz BE Wie ein Gitarrenbauer unerwartete Hilfe erhielt

Im Sommer verwüstete ein Unwetter Brienz. Ein Zufall verhalf Gitarrenbauer René Reusser zu überraschender Unterstützung.

Schutt, Schlamm und Geröll auf den Strassen, in den Häusern, auf dem Friedhof: Das Unwetter im August in Brienz war gewaltig. Der Mühlibach trat über die Ufer und spülte 50'000 Kubikmeter Material durchs Dorf im Berner Oberland.

Auch das Haus von René Reusser und seiner Familie wurde in Mitleidenschaft gezogen: Schutt und Schlamm wurden ins Erdgeschoss gedrückt, die Gefriertruhe des Nachbarn in den Garten geschoben.

Geröll, Hausrat und vieles mehr im Garten der Familie Reusser
Legende: Spuren der Zerstörung: Der Garten und das Erdgeschoss der Reussers war überflutet. ZVG/René Reusser

«Es hat gerumpelt, und als ich aus dem Fenster geschaut habe, sah ich, wie sich ein riesiger, brauner Fluss auf unser Haus zubewegt», sagte der 40-jährige im Sommer im Interview mit dem Regionaljournal Bern Freiburg Wallis. Das Erdgeschoss habe sich innert Sekunden mit einer braunen Brühe gefüllt.

«Wie auf dem Mond»

Mithilfe einer Leiter hat die Familie das Haus verlassen und sich in Sicherheit gebracht. Die «braune Brühe» hat das Erdgeschoss mitsamt Werkstatt verschüttet, darunter auch viele wertvolle Werkzeuge. René Reusser ist Berufsbildner für Holzbildhauerei und baut im Nebenerwerb Gitarren.

Vier Monate nach dem Unwetter ist nun wieder so etwas wie Normalität eingekehrt bei den Reussers. Auch wenn die Spuren im Haus noch deutlich zu sehen sind: «Es sieht aus wie auf dem Mond, aber immerhin ist es jetzt trocken», so René Reusser.

Rückblick: Aufräumarbeiten in Brienz

Die Familie hat in den Tagen und Wochen nach dem Unwetter viel Unterstützung erfahren: «Von Freunden, Nachbarn und sogar von Fremden – von nah und fern. Es war sehr schön, rührend und gleichzeitig überwältigend», beschreibt der Gitarrenbauer die zahlreichen Nachrichten und Hilfsangebote, die seine Familie erhielt.

Der Gitarrenbauer ist nun dran, seine Werkstatt wieder her- und einzurichten. «Die Versicherungen helfen, aber es gibt Dinge, die man nicht einfach ersetzen kann», erklärt er. Zum Beispiel Spezialwerkzeug, handgefertigte Schablonen und Vorrichtungen. «Die sind zerstört und lassen sich nicht durch Geld ersetzen.»

Unerwartete Hilfe aus Freiburg

Dankbar nahm René Reusser drum Unterstützung von überraschender Seite an. Eine Frau aus dem Kanton Freiburg hatte im August von Reussers Schicksal zufällig aus dem Radio erfahren. «Sie hat sich bei mir gemeldet und erzählt, dass ihr Ehemann auch Gitarrenbauer war und erst kürzlich unerwartet verstorben war.» Seine Werkzeuge seien nun ungenutzt, habe ihm die Frau erzählt.

Jedes Mal, wenn ich eines dieser Werkzeuge benutze, denke ich an Hanspeter und seine Arbeit.
Autor: René Reusser Gitarrenbauer

René Reusser fuhr in den Kanton Freiburg, besuchte die Frau und schaute sich die Werkstatt des verstorbenen Gitarrenbauers an. «Es war eine sehr schöne Überraschung und Begegnung», erinnert sich der Brienzer. Er nahm ein paar Werkzeuge mit, die ihm jetzt helfen, seine Arbeit wieder aufzunehmen.

Eine Geste der Solidarität, die René Reusser noch immer berührt: «Jedes Mal, wenn ich eines dieser Werkzeuge benutze, denke ich an Hanspeter und seine Arbeit.»

Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 23.12.2024; 06:31 Uhr ; 

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