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Nach Viola Amherds Rücktritt Tritt nach Amherd auch Bundesrat Cassis zurück?

Ein Doppelrücktritt könnte der FDP helfen, ihren wackelnden zweiten Sitz im Bundesrat zu halten. Doch auch die Grünen könnten daran interessiert sein, Cassis' Bundesratssitz bei einem Rücktritt zu übernehmen.

Als Viola Amherd im Dezember 2018 für die damalige CVP Bundesrätin wurde, war auch ein Sitz der FDP neu zu besetzen. Karin Keller-Sutter machte das Rennen. Jetzt wäre eine Doppelvakanz von Mitte und FDP wieder attraktiv für die Freisinnigen. Würde Ignazio Cassis auch noch zurücktreten, fände die Wahl für seine Nachfolge in der Frühjahrssession vor derjenigen für den Mitte-Sitz statt. Das würde das Risiko deutlich reduzieren, dass die Mitte dessen Sitz angreift.

Nimmt in den nächsten Tagen also auch noch Bundesrat Cassis den Hut? «Ein Rücktritt eines Bundesrates oder einer Bundesrätin ist Sache der jeweiligen Person», sagt FDP-Präsident Thierry Burkart. «Es wäre unanständig, wenn ich jetzt als Parteipräsident auf ein Mitglied des Bundesrates aus rein parteitaktischen Überlegungen Druck ausüben würde.»

Pfister sieht Cassis keine Amtsmüdigkeit an

Mitte-Präsident Gerhard Pfister, der selber als Bundesratskandidat gehandelt wird, meint zum Szenario Doppelrücktritt nur sehr knapp: «Wir sind gut beraten, wenn wir solche Entscheide über Rücktritte den Bundesrätinnen und Bundesräten selbst überlassen.» Bei Cassis sehe er aber keine Zeichen von Amtsmüdigkeit.

Auch SP-Präsident Cédric Wermuth rechnet nicht mit einem weiteren Rücktritt, weil SVP und FDP so ihre Mehrheit von vier Sitzen im Bundesrat erhalten könnten. Eine Mehrheit, die eigentlich nicht mehr zu rechtfertigen sei, findet er. «Sie vertritt weder das Parlament noch den Willen der Bevölkerung, ist im letzten Jahr an der Urne krachend gescheitert. Es wäre richtig, dass sich diese Vertretung ändert. Aber ich gehe ehrlich gesagt eher davon aus, dass man versuchen wird, diese Mehrheit aufrechtzuerhalten.»

Grüne würden bei Doppelrücktritt neu beraten

Das sehen auch die Grünen so. Sie verzichten darauf, den Bundesratssitz der Mitte anzugreifen, wie Fraktionspräsidentin Aline Trede bekannt gibt. Im Falle eines Rücktritts von Ignazio Cassis hingegen sähe es anders aus. «Falls es noch Änderungen gibt, dann werden wir natürlich eine andere Diskussion führen.»

Das wiederum löst bei SVP-Präsident Marcel Dettling nur Kopfschütteln aus. Seiner Meinung nach haben die Grünen keinen Anspruch auf einen Sitz in der Regierung. «Das ist lächerlich. Die Grünen gehen jetzt nur noch in eine Richtung: die Klimahysterie. Davon haben die Leute genug, das kostet nur viel und bringt nichts. Das ist mehr oder weniger noch ein ‹Täubelen› auf tiefem Niveau.»

Ob FDP-Bundesrat Cassis auch noch zurücktritt und die Grünen den Sitz attackieren, dürfte in den nächsten Tagen klar werden. Denn viel Zeit bleibt nicht mehr bis zur Bundesratswahl, die am 12. März stattfinden wird.

Politologe Hermann: «Cassis hat jetzt mehr Freiraum»

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Für Michael Hermann, Politologe und Leiter des Forschungsinstituts «Sotomo», ist es zwar eher unwahrscheinlich, dass nun auch FDP-Bundesrat Cassis seinen Rücktritt erklärt. Eine «realistische Option» sei es aber. Denn mit Amherds Rücktritt habe sich einiges verschoben. «Wenn Cassis vor ihr zurückgetreten wäre, hätte es wie ein Aufgeben ausgesehen.» Die FDP spekuliert darauf, dass sie bei den eidgenössischen Wahlen 2027 wieder mehr Sitze im Nationalrat holen kann als die Mitte. Dann wäre ihr Anspruch auf zwei Bundesratssitze wieder gefestigter.

Ein plötzlicher Rücktritt von Cassis hätte die Partei womöglich in die Bredouille gebracht. «Die Gemengelage hat sich nun verändert», sagt der Politologe. «Deswegen könnte jetzt etwas in Bewegung geraten.» Dass Amherd vorgeprescht ist, gebe Cassis den Freiraum, ohne Rücksicht auf politische Zwänge zu handeln. Letztlich sei es aber ein persönlicher Entscheid, wann man aus der Landesregierung zurücktrete, so Hermann.

Dass die Grünen ausschliessen, den Mitte-Sitz im Bundesrat anzugreifen, ist für Hermann folgerichtig. Schliesslich ist die Mitte-Fraktion im Parlament klar stärker als die der Grünen. Die einzig politisch sinnvolle Option wäre ein grüner Angriff auf den zweiten FDP-Sitz, sagt Hermann: «Nicht nur, weil sie eine Vertretung im Bundesrat beanspruchen, sondern auch, weil sie politisch etwas bewegen wollen.» So könnte die Linke nämlich die rechtsbürgerliche Mehrheit von SVP und FDP im Bundesrat brechen. Denkbar ist für Hermann auch, dass die Grünen versuchen könnten, der Mitte zu einem zweiten Sitz im Bundesrat zu verhelfen, um dieses Ziel zu erreichen.

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