Marco Chiesa soll neuer SVP-Präsident werden. Das schlägt die Findungskommission der Partei vor – und stellt sich damit gegen die Nationalräte Andreas Glarner und Alfred Heer. Glarner hat seine Kandidatur zurückgezogen – auf Anfrage schreibt er, er unterstütze Chiesas Kandidatur vorbehaltlos. Der Tessiner Ständerat steht für einen moderaten Auftritt innerhalb der SVP. Ein «netter» Präsident, der hart in der Sache ist, könnte der Partei gut zu Gesicht stehen, sagt Politologe Michael Hermann.
SRF News: Was ist von Chiesa zu erwarten?
Michael Hermann: Für die SVP ist es Chance und Risiko zugleich. Chiesa ist jovial und charmant. Auch der ehemalige Präsident Toni Brunner war so ein jovialer Typ. Damit hat die Partei sehr gute Erfahrungen gemacht. Auch Chiesas Tessiner Akzent kann in der Deutschschweiz durchaus gut ankommen. Dazu ist die Zuwanderungsfrage im Tessin ziemlich akut. Dadurch bringt Chiesa Glaubwürdigkeit mit.
Zugleich ist die Personalie Chiesa auch ein Risiko. Er hat sich auf der nationalen Bühne noch nicht behauptet. Die Präsidenten der anderen Parteien sind dagegen Figuren, die sich schon in Konfliktsituationen, in schwierigen Medienumfeldern und verschiedenen Sprachen behauptet haben. Wir wissen schlicht noch nicht, wie gut Chiesa solche Situationen meistern würde.
Dem scheidenden Parteipräsidenten Albert Rösti wurde immer wieder vorgeworfen, er sei zu nett. Gilt das auch für Marco Chiesa?
Es gibt gewisse Nuancen von «nett». Auch Toni Brunner war nett. Er war aber zugleich hart und hat die Konfrontation gesucht. Das hat Albert Rösti zum Teil ja auch gemacht. Im Rückblick war er, gemessen an dem, was er machen konnte, auch gar nicht so schlecht positioniert.
Zwischenzeitlich wollte der Kopf der Partei in Zürich jemand aggressiveres als Präsidenten und war dann wieder unschlüssig. Mit Glarner und Heer, die sich gemeldet hatten, gab es nun zwei eher konfrontative Kandidaten. Offenbar war man nicht ganz sicher, ob das der richtige Weg ist. Am Schluss fährt man mit jemandem, der jovial, aber hart in der Sache ist, wahrscheinlich am besten.
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Bild 1 von 10. Der Vorschlag der Findungskommission. Er wird von der SVP-Findungskommission als Wunschkandidat unterstützt: Der Tessiner Ständerat und SVP-Vizepräsident Marco Chiesa. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 10. Kandidiert:. Er war der einzige, der seine Kandidatur bis zur Eingabefrist am 1. Februar bekannt gab: der Zürcher Nationalrat Alfred Heer. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 10. Kandidiert nicht mehr:. Der Aargauer SVP-Kantonalpräsident und Nationalrat Andreas Glarner hat seine Kandidatur nach dem Vorschlag von Chiesa durch die Findungskommission zurückgezogen. Das berichtet der «Blick». Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 10. Kandidiert nicht:. Die 36-jährige Aargauer Nationalrätin Martina Bircher verzichtet auf eine Kandidatur für das SVP-Präsidium. Sie begründet ihren Schritt laut Informationen der CH Media-Zeitungen mit ihrer familiären Situation. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 10. Kandidiert nicht:. Viel zahlreicher sind die Absagen: So hat etwa die Bündner Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher eine Kandidatur für das SVP-Präsidium ausgeschlossen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 10. Kandidiert nicht:. Auch der Schwyzer Nationalrat und Landwirt Marcel Dettling hat der Partei bereits vor den Gesprächen der Findungskommission eine Absage erteilt. Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 10. Kandidiert nicht:. Fraktionspräsident Thomas Aeschi (ZG) möchte auch nicht Nachfolger von Albert Rösti werden. Bildquelle: Keystone.
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Bild 8 von 10. Kandidiert nicht:. Die Thurgauer Nationalrätin und Unternehmerin Diana Gutjahr hat sich ebenfalls aus dem Rennen genommen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 9 von 10. Kandidiert nicht:. Den Rheintaler Roland Rino Büchel hätte das Präsidium der SVP zwar gereizt, wie er sagt, doch seine Gesundheit lasse es nicht zu. Büchel musste bereits mehrfach an den Augen operiert werden. Bildquelle: Keystone.
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Bild 10 von 10. Kandidiert nicht:. Der Luzerner SVP-Nationalrat Franz Grüter möchte Albert Rösti ebenfalls nicht beerben – zu gross sei die Verpflichtung, zu zeitraubend das Amt, sagte er bereits Anfang Jahr gegenüber Medien. Bildquelle: Keystone.
Ist der konfrontative Politstil von Heer und Glarner der einzige Grund, warum sich die Findungskommission gegen sie entschieden hat?
Die beiden werden zwar wahrgenommen und erzielen Wirkung. Sie sind aber nicht unbedingt einnehmend. Bei der SVP ist man mit dem Duo eines Fraktionschefs als Einpeitscher und einem Präsidenten als einnehmende Figur immer erfolgreich gefahren. Das fehlt Heer und Glarner etwas und das spürt man offenbar auch bei der Findungskommission. Sie stellt sich nun klar hinter Chiesa.
Das Gespräch führte Christina Scheidegger.