- Immer wieder reissen Wölfe Schafe, Ziegen – und zuletzt auch Kühe.
- Regelmässig werden Abschussbewilligungen erteilt, aktuell etwa in der Region Goms-Aletsch oder auch im Kanton Graubünden.
- 200 Freiwillige sorgen dafür, dass das Zusammenleben einfacher wird. Sie gehen nachts auf Weiden, um die Nutztiere zu schützen.
Auf der Alp la Foirausaz im Waadtländer Jura grast im Abendlicht eine Herde von gut 70 Kälbern. Die Weiden sind von dichten Tannenwäldern umgeben. Nicht weit entfernt ist der Col du Marchairuz, der das Waadtländer Flachland mit dem Vallée de Joux verbindet.
Corinne Bédert zeigt auf eine Tanne. Da habe sie Anfang Woche mit der Wärmebild-Kamera einen grossen weissen Fleck gesehen. Sie habe dann aber gedacht: «Das war wohl nur ein Ast, der sich bewegte. Oder vielleicht ein Stein.» Als sie zurück bei ihrer Kollegin Elisabeth war, habe deren Tochter plötzlich gesagt: «Da ist der Wolf, er kommt auf uns zu!»
Kurz darauf sei er wieder verschwunden. Die 59-jährige Corinne ist eine der über 200 Freiwilligen des Vereins Oppal, der die Nachtwachen im Wallis und der Waadt organisiert. Vereinsgründer Jérémie Moulin sitzt vor dem Wohnwagen, der für die freiwilligen Hirten aufgestellt wurde. Der 30-Jährige schliesst gerade seinen Master in Biologie in Lausanne ab.
Die Alpweide gut im Blick
Im letzten Jahr wurden in der Waadt 21 Kälber vom Wolf gerissen. Das sorgte für viel Ärger unter den Bauern, zumal es in der Region ein Wolfsrudel und mehrere weitere Wölfe gibt. Ziel sei es, ein Zusammenleben zu ermöglichen, sagt Moulin. Dafür sollen Freiwillige wie Elisabeth und Corinne – Babette und Coco, wie sie sich nennen – sorgen. Und inzwischen sind auch Babette und ihre Tochter da.
Für eine weitere Nachtwache werden die Geräte bereitgestellt und hoch zu einer Kreuzung gebracht, von der aus die Alp gut überschaubar ist.
Was machen sie, wenn der Wolf kommt? Corinne erklärt: «Zuerst nehmen wir die Lampe und leuchten in seine Richtung. Wenn er weiter auf uns zukommt, verscheuchen wir ihn mit der Trillerpfeife. Und als letztes Mittel blasen wir in das Nebelhorn.» Das laute Horn musste Corinne schon mehrmals einsetzen. Unterdessen ist es Nacht geworden.
Nach Frühpension die Hirtenschule
Ein Wolf hat sich noch nicht gezeigt. Doch gegen 23 Uhr kommt plötzlich Unruhe in die Herde. Eine Rotte Wildschweine machte die Kälber nervös, keine Wölfe. Später in der Nacht schleicht auch ein Fuchs vorbei. Babette und Coco schauen weiter in die Nacht. Warum machen sie das?
Man müsse schauen, dass der Wolf sich nach den Schafen und Ziegen nicht auch noch auf Kälber und Kühe spezialisiert. Nur so funktioniere das Zusammenleben. Für diese Nachtwachen hat sich Corinne extra frühpensionieren lassen. Vor einem Jahr hat sie die Hirtenschule begonnen. Auf der Alp la Foirausaz wacht sie schon die dritte Nacht in Folge. Nach 2 Uhr ist sie müde und geht ins Auto schlafen. Babette hält unterdessen Wache, alle trinken Kaffee und Tee, um durchzuhalten.
Der Wolf zeigt sich heute Nacht aber nicht. Vielleicht auch, weil heute insgesamt fünf Menschen hier oben seien, meint die 52-jährige Elisabeth. Diesen Sommer leisten Coco und Babette freiwillig über 30 Einsätze. Heute steht in ihrem Journal: sieben Wildschweine gesehen, einen Fuchs, ein Reh und einen Hasen, aber keinen Wolf.