Der neue IPCC-Klimabericht zeigt erschreckende Szenarien auf – auch für die Schweiz. Diese hat sich laut Pariser Abkommen dazu verpflichtet, den Treibhausgas-Ausstoss bis 2030 im Vergleich zu 1990 zu halbieren. Bis 2050 sollen hierzulande netto gar keine Treibhausgase mehr in den Äther gelangen.
Doch im letzten Jahr verfehlte die Schweiz ihr Klimaziel – und vor wenigen Wochen scheiterte das CO2-Gesetz an der Urne. Was also ist zu tun?
Lenkungsabgabe nicht vom Tisch
Es brauche jetzt statt des grossen Wurfs viele kleine Schritte, sagt Mitte-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt. Er ist Mitglied der Umwelt-, Raumplanungs- und Energiekommission UREK des Nationalrates. Diese Kommission hat kurz nach der Abstimmung eine parlamentarische Initiative lanciert, mit dem Ziel, die unbestrittenen Teile des CO2-Gesetzes, die Ende Jahr auslaufen würden, zu retten.
Man muss die Lenkungsabgabe auf fossilen Energien fortführen und auch erhöhen.
Zudem brauche es weitere Schritte, ist Müller-Altermatt überzeugt – auch die umstrittene Lenkungsabgabe ist für ihn nicht vom Tisch. «Man muss diese fortführen und auch erhöhen – damit man einen Anreiz hat, aus den fossilen Energieträgern auszusteigen.» Auch eine erneute Diskussion über die Flugticketabgabe kann sich der Solothurner vorstellen.
Für GLP-Präsident und Nationalrat Jürg Grossen ist klar, dass die Schweiz nun schnell handeln muss, etwa im Gebäudebereich. Noch immer würden jeden Tag Gebäude in Betrieb genommen, welche nicht netto-null-tauglich seien. «Dabei wissen wir, wie wir diese Gebäude bauen müssen. Doch wir machen es nicht.» Jetzt seien die Kantone gefordert, so Grossen.
SVP will neue AKWs
SVP-Nationalrat Christian Imark hatte an vorderster Front gegen das CO2-Gesetz gekämpft. Er sagt, wenn die Schweiz ihren CO2-Ausstoss senken wolle, etwa im Verkehrs- und Gebäudebereich, dann brauche es in Zukunft mehr CO2-neutralen Strom. «Wir können die AKWs länger laufen lassen und allenfalls neue Kernkraftwerke bauen», ist er überzeugt.
Wir können die AKWs länger laufen lassen und allenfalls neue Kernkraftwerke bauen.
Doch beim Thema AKW hält Mitte-Nationalrat Müller-Altermatt dagegen: «Die Planung und der Bau eines AKWs dauert so lange, dass bis dann die alternativen erneuerbaren Energien viel mehr Strom liefern werden, als das ein neues AKW tun würde.» Deshalb sei diese Idee völlig illusorisch.
Mehrheit muss Massnahmen mittragen
Bald kommt zudem die Gletscherinitiative an die Urne, welche verlangt, dass die Schweiz ab spätestens 2050 auf Erdgas, Erdöl und Kohle verzichtet. Bereits letztes Jahr sprach sich der Bundesrat für einen direkten Gegenvorschlag dazu aus. Auch er visiert netto-Null bis 2050 an, will aber fossile Treibstoffe nicht komplett verbieten. Das aber braucht mehr Kompensationsmassnahmen.
Wir wissen, wie wir netto-null-Gebäude bauen müssen. Doch wir machen es nicht.
Die Ablehnung des CO2-Gesetzes hat die Ausgangslage inzwischen verändert, und wie es jetzt weitergeht, ist offen. Möglicherweise wird auch ein indirekter Gegenvorschlag mit konkreten Massnahmen lanciert. Allgemein wird erwartet, dass sich der Bundesrat bald dazu äussert.
«Wichtig ist, dass wir alle Leute mitnehmen müssen», betont GLP-Präsident Jürg Grossen, der die Initiative unterstützt. «Wir können nicht gegen einen grossen Teil der Landbevölkerung antreten.» Die offenen Fragen müssten nun bald diskutiert werden.
Bereits befürchtet SVP-Nationalrat Imark, dass man am Ende ein «hartes» Massnahmenpaket habe, welches die Bevölkerung – wie das CO2-Gesetz kürzlich – ablehnen werde. «Und am Schluss haben wir gar nichts.»
Das Ringen um mehr Klimaschutz in der Schweiz geht also weiter. Guter Rat ist teuer. Doch immerhin scheint allen klar: Nichts tun wird noch teurer.