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Isabella Eckerle: Neue Pandemiewelle ist möglich
Aus Tagesgespräch vom 21.09.2023. Bild: SRF/David Karasek
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Neue Pandemiewelle? Kommt es zu einer neuen Corona-Welle, Frau Eckerle?

Die Fälle von Coronainfektionen nehmen wieder zu, den Risikogruppen wird eine weitere Impfung empfohlen. Die Genfer Virologin Isabella Eckerle erklärt die Hintergründe und Zusammenhänge.

Isabella Eckerle

Virologin

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Die deutsche Virologin und ausserordentliche Professorin leitet seit 2018 die Abteilung für Infektionskrankheiten der Medizinfachrichtung an den Universitätskliniken in Genf. Dort forscht sie zur Entwicklung von Zelllinien. In der COVID-19-Pandemie untersucht Eckerle die Rolle der Kinder bei der Übertragung der Viren.

SRF News: Sie warnen vor einer neuen Corona-Infektionswelle für Herbst und Winter. Woran machen Sie das fest?

Isabella Eckerle: Warnen ist ein bisschen stark ausgedrückt. Wir hatten in den letzten Monaten nur wenige Coronafälle, doch jetzt sehen wir einen Anstieg – getrieben durch die Variante Eris. Es gibt mehr positive Tests und mehr Spitaleintritte wegen Covid-19.

Ob es nun wirklich zu einer Corona-Welle kommt, wird sich erst noch zeigen.

Das Virus Sars-CoV-2 bringt immer wieder neue Varianten hervor, die den Menschen immer wieder neu infizieren können. Die Variante Eris ist sehr gut darin, die inzwischen bestehende Immunität bei den Menschen zu umgehen. Also werden wieder mehr krank, die Zahl der Fälle steigt an. Ob es aber wirklich eine Corona-Welle wird, wird sich erst noch zeigen.

Impfempfehlung für Risikopatienten

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Legende: Keystone

Die Eidg. Impfkommission und das Bundesamt für Gesundheit BAG empfehlen Risikopatientinnen und den Menschen über 65 Jahre jetzt eine Booster-Impfung. Auch schwangeren Frauen wird empfohlen, mit ihrem Arzt abzuklären, ob sie sich boostern lassen sollen. Für alle anderen gibt es derzeit in der Schweiz keine Empfehlung für einen Booster.

Ruft die Variante Eris auch schwere Erkrankungen hervor?

Dazu kann man noch nicht viel sagen, bislang sieht es aber nicht danach aus. Man rechnet mit ähnlich vielen schwereren Verläufen wie mit anderen Omikron-Varianten.

Alle Corona-Omikron-Varianten haben die Infizierten weniger krank gemacht als die ursprüngliche Virusvariante. Warum warnen Sie jetzt trotzdem vor einer möglichen neuen Infektionswelle?

Omikron verhält sich nicht nur als Virus etwas anders als die Ursprungsvariante, auch die meisten Menschen in der Schweiz haben inzwischen eine Grundimmunisierung durch Impfung oder Infektion. Zwar führen die Omikron-Varianten tendenziell zu weniger schweren Fällen, doch weil sie sehr ansteckend sind, führen sie zu ausgesprochen vielen Fällen. Das kann das Gesundheitssystem in Stress bringen.

Wir müssen die Kombination aller Folgen von vielen Infektionen auf dem Schirm haben.

Viele Erkrankungen führen auch dazu, dass beispielsweise Lehrer krank sind, Eltern statt zur Arbeit bei den kranken Kindern zu Hause bleiben etc. – so kann unser ganzes System an den Anschlag kommen. Ausserdem weiss man immer noch wenig über Long Covid und andere Komplikationen und Folgen einer Coronainfektion. Die Kombination aus all dem muss man jetzt wieder auf dem Schirm haben.

Trotz Anfeindungen meinungsstark

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Die Genfer Virologin Isabella Eckerle ist im Zuge der Coronapandemie wegen ihrer wissenschaftlichen Haltung während der Pandemie immer wieder öffentlich angegriffen worden. Als Konsequenz zog sie sich zwischenzeitlich von den sozialen Medien zurück. Zu den teils massiven Anfeindungen sagt sie: «Ich habe eigentlich ein relativ dickes Fell. Und oft scheint mir, dass der Botschafter für die Botschaft bestraft wird, die er überbringt. Das Coronavirus ist nun mal da – und wer darüber spricht, kriegt den Frust dafür ab.»

Und weiter: «Es besteht die Gefahr, dass wir in eine sehr gefährliche Situation kommen – wenn Wissenschaftler sich nicht mehr getrauen, sich zu äussern. Wir dürfen das Feld aber nicht den Fehlinformationen überlassen, deshalb äussere ich mich auf Twitter (X) weiterhin pointiert.»

Wann wird eine Infektion mit Sars-CoV-2 bloss noch ein harmloser Schnupfen sein?

Meiner Meinung nach wird es nie ein harmloses Schnupfenvirus werden. Sars-CoV-2 gehört zu den schwer krank machenden Coronaviren. Ausserdem passiert in dem Virus immer noch sehr viel, es unterliegt einer permanenten Veränderung.

Andere Schnupfenviren wie das Rhinovirus verursachen keine so schweren Erkrankungen wie Sars-CoV-2.

Das kennen wir so von anderen Coronaerkältungsviren nicht – diese sind genetisch relativ stabil. Ausserdem verursachen andere Schnupfenviren wie das Rhinovirus keine so schweren Erkrankungen wie Sars-CoV-2: kardiovaskuläre Erkrankungen oder Long Covid.

«Von Viren, Fledermäusen und Menschen»

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Isabella Ecklerles neues Buch heisst «Von Viren, Fledermäusen und Menschen». Es geht darin um sogenannte Zoonosen, also das Überspringen von Viren von Tieren auf Menschen.

Erleben die Viren mit den immer zahlreicher auf der Erde lebenden Menschen gerade eine Art goldenes Zeitalter?

Das kann man so sagen. Man geht davon aus, dass die Viren, die von Mensch zu Mensch springen, ein relativ neues Phänomen sind. Denn eine derart grosse und vernetzte menschliche Population wie heute gibt es aus Sicht der Evolution noch nicht lange.

Heute werden Erreger in Stunden um die ganze Welt getragen, die Menschheit ist eine grosse Population geworden.

Als wir vor einigen tausend Jahren noch Jäger und Sammler waren, lebten die Menschen in kleinen Gruppen zusammen und sind nur selten auf andere Gruppen getroffen. Ein Virus, das auf eine Gruppe solcher Menschen übergesprungen ist, ist dann oftmals schnell wieder verschwunden, weil es sich nicht weiter ausbreiten konnte. Heute werden Erreger in Stunden um die ganze Welt getragen, die Menschheit ist eine grosse Population geworden.

Das Gespräch führte David Karasek.

Spannendes Forschungsgebiet: Fledermäuse

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Legende: Keystone/Jean-Christophe Bott

Fledermäuse sind Träger von besonders vielen verschiedenen Viren, mit denen sie aber gut leben können, ohne zu erkranken. Vermutet wird, dass das mit dem Fliegen zusammenhängt: Durch das Fliegen entstehen viele schädliche Abbauprodukte in den Zellen – deshalb hat das Fledermaus-Immunsystem während Jahrmillionen Strategien entwickelt, mit diesen Schäden und Entzündungen umzugehen und sie zu kontrollieren. Deshalb leben die Fledermäuse mit all diesen Viren quasi in einer friedlichen Koexistenz. Spannend für die Humanforschung ist nun herauszufinden, über welche Signalwege es die Zellen schaffen, trotz Infektion die Antwort auf die Entzündung nicht überschiessen zu lassen. Das könnten Angriffspunkte sein für Medikamente, die gegen Autoimmunerkrankungen bei Menschen entwickelt werden könnten.

Tagesgespräch, 21.9.2023, 12:30 Uhr ; 

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