Die Wolken hängen tief über dem Weiler Putz im Prättigau. Die Regentropfen prasseln auf die gelben Helme der beiden Bauarbeiter nieder. Dick eingepackt in gelbe Jacken packen sie das Ende der faustdicken schwarzen Leitung, das von der grossen Kabelrolle auf einem Anhänger hängt, und führen es in den Schacht in der Strasse. Einer der Bauarbeiter verbindet das Kabelende mit einem Seil.
«Ich bin bereit. Die Maschine läuft», schallt es aus dem Funkgerät, das um die Brust des einen Bauarbeiters hängt. Er nimmt es in die Hand und antwortet: «Gut, dann kannst du mit Ziehen beginnen.» Langsam wird das dicke schwarze Kabel vom Seil in den Schacht und damit unter die Strasse gezogen.
Photovoltaikanlagen sind Treiber für Netzausbau
Diese neue unterirdische Leitung kann mehr Strom transportieren als die bestehende Freileitung mit Masten. Diese wird bald demontiert. Für diese Arbeiten verantwortlich ist der Bündner Stromkonzern Repower. Dessen Geschäftsleitungsmitglied Michael Roth ist an diesem Tag ebenfalls in Putz vor Ort und sagt: «Wir müssen das Stromnetz überall verstärken, in der Niederspannung, in der Mittelspannung, wie auch in diesem Dorf, damit künftig Photovoltaikanlagen auf den einzelnen Dächern installiert werden können.»
Der Ausbau des Stromnetzes ist nötig. Nicht nur, weil es immer mehr Solaranlagen gibt, sondern auch weil der Stromverbrauch in Zukunft massiv steigt – von heute 60 bis ins Jahr 2050 auf 80 bis 90 Terawattstunden im Jahr.
Klar ist: Der Netzausbau wird teuer. Entscheidend dabei ist der Widerstand gegen grosse Kraftwerke. Das zeigt eine Studie des Verbands der Schweizerischen Elektrizitätsunternehmen (VSE).
Projekte zu blockieren, bedeutet Zeitverlust. Und Zeitverlust heisst höhere Kosten.
Je weniger Grosskraftwerke gebaut würden, umso mehr Solaranlagen auf Dächern würden benötigt. Und umso mehr dezentrale Solaranlagen es gibt, umso stärker müsste das Stromnetz ausgebaut werden und das wiederum erhöhe die Kosten.
Energiebranche spricht von Blockadehaltung
Ebenfalls ein Kostentreiber ist laut der VSE-Studie der Widerstand gegen Energieprojekte. VSE-Direktor Michael Frank spricht von einer grossen Blockadehaltung: «Wir müssen uns nichts vormachen. Alle Ausführungsprojekte sind blockiert, sei es beim Netz, sei es bei der Produktion. Projekte zu blockieren, bedeutet Zeitverlust. Und Zeitverlust heisst höhere Kosten, weil es billiger ist, heute zu bauen als erst in zehn Jahren.»
Bleibe der Widerstand insbesondere gegen grosse Kraftwerke hoch, koste der Ausbau des Stromnetzes laut der Studie jährlich doppelt so viel, als wenn es mehr Akzeptanz für die neuen Energieprojekte gäbe.
WWF stellt Blockadehaltung in Abrede
Beim WWF heisst es dazu stellvertretend für die Umweltverbände: Von einer Blockadehaltung könne keine Rede sein. «Es gibt heute sehr viele Gründe, weshalb Kraftwerke noch nicht gebaut sind. Entweder gibt es lokalen Widerstand durch die Nachbarn, die Projekte sind schlecht geplant, gesetzeswidrig, müssen nachgebessert werden», sagt WWF-Energieexperte Patrick Hofstetter. Zudem laufe ja der Zubau der Erneuerbaren Energien bereits. Auf vielen Dächern werden Photovoltaikanlagen installiert.
Im Weiler Putz im Prättigau gab es keinen Widerstand gegen die leistungsfähigere Stromleitung. Die Arbeiten dafür sollen demnächst abgeschlossen werden.