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Neuer Beruf Michael Lauber: «Es geht darum, ein sinnvolles Leben zu führen»

Der ehemalige Bundesanwalt Michael Lauber ist neuer Sprecher der christkatholischen Kirche, der kleinsten Schweizer Landeskirche. Lauber trat im Sommer 2020 unter grossem medialem und politischem Druck zurück – unter anderem wegen nicht deklarierter Treffen mit Fifa-Präsident Gianni Infantino. Was er bereut und warum er sich für diesen Beruf entschieden hat, erklärt er im Interview.

Michael Lauber

Sprecher der christkatholischen Kirche

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Michael Lauber ist Sprecher der christkatholischen Kirche. Zuvor war er von 2012 bis Ende August 2020 Bundesanwalt der Schweiz.

SRF News: Vom obersten Strafverfolger der Schweiz zur kleinsten Kirche des Landes – wie erklären Sie diesen Schritt?

Michael Lauber: Ich bin von Geburt an christkatholisch. Ich bin in einem Pfarrhaus gross geworden. Die Kirche suchte einen Juristen für die Kommunikation, und da habe ich zugesagt. Wenn ich mit all meinen Erfahrungen als Bundesanwalt etwas Sinnvolles beitragen kann, dann mache ich das gerne. Ich brauche keine Bestätigung mehr.

Die christkatholische Kirche der Schweiz hat viele Reformen durchgeführt, wie beispielsweise die Abschaffung des Zölibats. Trotzdem gibt es immer weniger Mitglieder. Warum?

Das ist eine Frage, die nicht nur für die christkatholische Kirche relevant ist, sondern genauso für die römisch-katholische Kirche und die Reformierten. Einfach gesagt: Wenn man klein ist und immer kleiner wird, stellen sich grundsätzliche Fragen, wie man weitermachen will.

Die Kirche ist genau in diesem Prozess, und das finde ich sehr spannend. Wir müssen Lösungen finden. Aber ich glaube nicht, dass Kirchen nur deshalb unbedeutend sind, weil sie weniger Mitglieder haben. Die Botschaft, die sie vermitteln können, bleibt wichtig.

Ich finde nach wie vor, dass es ungerecht war, was mit mir passiert ist.

Im Sommer 2020 sind Sie als Bundesanwalt der Schweiz zurückgetreten. Wurmt Sie das noch?

Eigentlich nicht mehr, nein. Aber wenn ich an die damaligen Schlagzeilen zurückdenke, dann, auf Berndeutsch gesagt, «schiisst» mich das schon noch an. Ich finde, nach wie vor, dass es ungerecht war, was mit mir passiert ist. Aber das ist zum Glück vorbei.

Mann im Anzug zieht Jacke aus.
Legende: Michael Lauber war acht Jahre lang Bundesanwalt der Schweiz, bis er im Sommer 2020 zurücktrat. (Bild: Nach einer Pressekonferenz im Mai 2019.) KEYSTONE/Peter Klaunzer

Sie sind damals nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zurückgetreten. Sie hätten im Zusammenhang mit einem vertraulichen, nicht protokollierten Treffen mit Fifa-Präsident Gianni Infantino nicht die Wahrheit gesagt. Sie haben das Urteil akzeptiert, aber den Vorwurf der Lüge zurückgewiesen. Möchten Sie an dieser Stelle etwas beichten?

Nein, ich habe nichts zu beichten. Ich konnte mich nicht an das Gespräch erinnern, und es war meine Überzeugung, dass ich die Wahrheit sage, wenn ich sage, dass ich mich nicht daran erinnern konnte. Ich habe die Gespräche nicht aufgeschrieben, aber bis jetzt hat mir niemand juristisch erklären können, dass ich das hätte tun müssen.

Das war wie eine Vollbremsung in einem Auto. Von einem Tag auf den anderen war ich weg.

In dieser Zeit habe ich mich stark zurückgezogen, weil ich dachte, es wird nur schlimmer, wenn ich spreche. Ich wollte die Verfahren nicht gefährden. Jedes Wort, das ich damals gesagt habe, wurde verdreht oder in den Verfahren von Anwälten verwendet.

Nach dem Rücktritt mussten Sie Ihr Leben neu organisieren.

Das war wie eine Vollbremsung in einem Auto. Von einem Tag auf den anderen war ich weg. Nichts war mehr wie vorher. Der Lebensrhythmus musste komplett umgestellt werden, und das war sehr schwierig. Jetzt geht es mir darum, ein sinnvolles Leben zu führen – als Individuum, das immer Teil eines Kollektivs ist. Diese Werte erkenne ich nun in meiner Arbeit bei der Kirche.

Das Gespräch führte David Karasek.

Tagesgespräch, 15.01.2025, 13 Uhr ; 

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