Eine florierende Landwirtschaft ist auch dank des Einsatzes von Pestiziden möglich. Um Qualität und Ernte zu garantieren, sei man auf Pestizide angewiesen, so Bauernverbandspräsident Markus Ritter.
Doch Pestizide können ins Trinkwasser gelangen und für Mensch, Tier und Umwelt allenfalls schädlich sein. Mehrfach haben Kantonschemiker in den letzten Monaten von überschrittenen Grenzwerten im Trinkwasser berichtet. Es ist aber eine Kontroverse.
So ist es kein Wunder, dass das Thema Pestizide auch an der gestrigen Delegiertenversammlung des Bauernverbandes ein grosses Thema war. Von einer «Hexenjagd» war die Rede. Es sei eine «Illusion», zu glauben, man könne auf Pflanzenschutzmittel verzichten.
Nun gerät die Zulassungsstelle für Pflanzenschutzmittel, das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), in die Kritik. Ein externer Untersuchungsbericht von KPMG im Auftrag verschiedener Bundesämter, darunter derjenigen für Landwirtschaft, Umwelt und Gesundheit, kommt zum Schluss: Der Zulassungsstelle fehle es – aufgrund der Zugehörigkeit zum BLW – an formeller Unabhängigkeit.
Von negativen Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit ist die Rede und von fehlender Transparenz. Das Bundesamt für Umwelt sei zu wenig stark in den Prozess involviert.
Intransparente Vorgehensweise
Konkret prüft das BLW die Gesuche der Hersteller und analysiert die Pestizide regelmässig. Einzelne Punkte lässt das Bundesamt von zuständigen Ämtern wie Agroscop oder Seco prüfen. Dabei fliessen auch aktuelle Studien und Empfehlungen der EU mit ein. Der Zulassungsentscheid liegt am Schluss jedoch immer beim BLW.
Es besteht die Gefahr, dass die Zulassung zugunsten der Landwirtschaft ausfällt.
Kantonschemiker Kurt Seiler sagt, häufig sei intransparent, wie die Erkenntnisse der Kantone in den Zulassungsprozess einfliessen. Er begrüsst den externen Bericht: «Es wäre gut, wenn das Bundesamt, das eigentlich für die Umwelt zuständig ist, also das Bafu, eine wichtigere Rolle in diesem Prozess hätte». Für Seiler ist klar: «Es besteht die Gefahr, dass die Zulassung zugunsten der Landwirtschaft ausfällt.»
Gibt es ein neues Zulassungsverfahren?
Beim Bundesamt für Landwirtschaft nimmt man den externen Bericht zur Kenntnis. Man will jetzt aber zuerst die Resultate in einer Arbeitsgruppe analysieren. Verschiedene am Prozess beteiligte Bundesämter wollen ein Konzept ausarbeiten, um den Zulassungsprozess zu optimieren. Erste Ergebnisse werden im kommenden Frühling erwartet.
Ein grundsätzlicheres Problem bei den Zulassungsverfahren in der Schweiz und der EU sieht Carsten Brühl.
Der Wissenschaftler der Universität Koblenz Landau war mehrere Jahre für den Pflanzenschutzmittel-Hersteller Syngenta tätig. «Das Verfahren ist festgelegt auf eine Einzelstoffprüfung. Es werden also die Auswirkungen eines einzelnen Pestizids überprüft. In der Landwirtschaft werden aber mehrere Pestizide eingesetzt und dieses Gemisch hat eine andere, negativere Auswirkung auf die Umwelt.»
Innovationen gehemmt
Bei den Pestizid-Herstellern kann man den Vorwurf der fehlenden Unabhängigkeit der Zulassungsstelle nicht nachvollziehen. Der Branchenverband Scienceindustries schreibt: «Die zunehmend strengeren Zulassungsanforderungen der Behörden verhindern Innovationen zu Gunsten der Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt.».
Entscheidend für den Zulassungsprozess sei das Knowhow der Wissenschaftler und nicht die organisatorische Einbindung einer Behörde. Ob und wie der Zulassungsprozess angepasst wird, darüber diskutieren die betroffenen Bundesämter. Auch das für Landwirtschaft.