Endlich eine Autobahn? Oder doch lieber eine längere Zuglinie? Darüber gingen Mitte des 20. Jahrhunderts im Kanton Nidwalden die Meinungen auseinander. Die Talgemeinden wünschten eine Verlängerung der Stansstad-Engelberg-Bahn bis nach Luzern. Die Seegemeinden hingegen pochten auf die Autobahn.
In beiden Fällen musste ein wesentliches Hindernis überwunden werden: die Acheregg bei der Seeenge, die den Alpnachersee vom Vierwaldstättersee trennt.
Bloss 100 Meter liegen zwischen den beiden Landzungen. Eine kleine Distanz, die aber reichte, dass Nidwalden während Jahrhunderten nur via Schiff erreichbar blieb.
Alte Zugbrücke hat ausgedient
Eine Brücke über die sogenannte Acheregg gab es erst ab 1860. Entsprechend bescheiden blieb lange Zeit der Handel.
«Nidwalden war in den 1950er-Jahren ein strukturschwacher Kanton», sagt Christoph Baumgartner, wissenschaftlicher Archivar beim Staatsarchiv Nidwalden. «Eine bessere Verkehrsanbindung war mit vielen Hoffnungen verbunden.» Sie sollte zu einem Wirtschaftsaufschwung beitragen, aber auch den Tourismus ankurbeln.
Die Autobahn-Diskussion befeuert habe damals auch der Umstand, dass in den 1950er-Jahren immer mehr Leute ein eigenes Auto hatten, sagt Sebastian Geisseler, Denkmalpfleger des Kantons Nidwalden. Die Achereggbrücke – inzwischen eine Drehbrücke – war daher in den Augen vieler ein Ärgernis. Die Durchfahrt eines Kursschiffes dauerte 20 Minuten. «In dieser Zeit war der Verkehr total blockiert.»
Landsgemeinde fällt 1954 wegweisenden Entscheid
Bahn oder Strasse? Den Zwist zwischen Tal- und Seegemeinden legte schliesslich der damalige Baudirektor bei. «Er meinte: Wir machen doch beides», sagt Christoph Baumgartner. Daher fällte die Nidwaldner Landsgemeinde 1954 den Entscheid, sowohl die Eisenbahnlinie Richtung Luzern zu verlängern als auch die Autobahn zu bauen.
Rund zehn Jahre später war es so weit: 1964 fuhren die ersten Züge von Luzern bis nach Engelberg, 1965 wurde das A2-Teilstück Hergiswil-Stansstad eröffnet.
Die Achereggbrücke war fortan Nidwaldens Tor zur Welt. In den Anfangszeiten sei die Autobahn eine Attraktion gewesen, sagt Baumgartner. «Man stand an die Autobahn, um zu schauen, wie der Verkehr rollte.»
Bevölkerung stieg innert Kürze rapide
Der Ausbau der Autobahn und der Zugstrecke führte im Kanton zu einem überdurchschnittlichen Wachstum. Zwischen 1970 und 2010 stieg die Bevölkerungszahl um 60 Prozent. «Schweizweit legte in dieser Zeit einzig der Kanton Zug noch stärker zu», sagt Archivar Christoph Baumgartner.
Die bessere Erschliessung löste also einen Boom aus – allerdings mit anderen Folgen als zunächst gedacht. Statt dass sich Industrie und Gewerbe in Nidwalden ansiedelten, heizte die Autobahn vielmehr die Pendlerei an. «Dank der guten Verkehrsanbindung war es plötzlich möglich, in Nidwalden zu wohnen und ausserhalb des Kantons arbeiten zu gehen.»
Heute ist die Autobahn samt Achereggbrücke Fluch und Segen zugleich: Sie brachte den Kanton zwar vorwärts. Aber mit dem steigenden Verkehr nahm auch die Lärmbelastung zu. Ein Problem, das Nidwaldnerinnen und Nidwaldner bis in die jetzige Zeit beschäftigt.