Im Juni ist der Referenzzinssatz erstmals seit Jahren wieder gestiegen. Eine weitere Steigerung vor Jahresende schien wahrscheinlich. Nun aber hat das zuständige Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) den hypothekarischen Referenzzinssatz für die nächsten drei Monate bei 1.5 Prozentpunkten belassen. Eine Trendwende oder nur eine kurze Verschnaufpause? Die Expertin ordnet ein.
SRF News: Wie ist es zur aktuellen Nullrunde gekommen?
Ursina Kubli: Dass es zu keinem Anstieg gekommen ist, erstaunt nicht. Denn der Referenzzinssatz ist träge. Dennoch sind wir nur knapp an einer Erhöhung vorbeigeschrammt. Die Schwelle für eine Erhöhung lag bei 1.62 Prozent – der Durchschnittssatz der inländischen Hypothekarforderungen ist in den letzten drei Monaten von 1.44 auf 1.59 Prozent gestiegen.
Worauf basiert die Berechnung des Referenzzinssatzes?
Massgebend sind die durchschnittlichen Hypothekarzinsen, die Hypothekarnehmerinnen und -nehmer bei inländischen Banken haben.
Wir gehen von der nächsten Anpassung im Dezember aus. Und diese dürfte nicht die letzte Erhöhung gewesen sein.
Worauf müssen sich die Mieterinnen und Mieter künftig einstellen?
Der Trend ist klar: Der Referenzzinssatz steigt weiter. Wir gehen von der nächsten Anpassung im Dezember aus. Und diese dürfte nicht die letzte Erhöhung gewesen sein.
Gibt es denn so etwas wie eine realistische Obergrenze? 2008 lag der Referenzzinssatz ja mal bei 3.5 Prozent?
Eine Obergrenze gibt es theoretisch nicht. Nur als Vergleich: in den 1990er-Jahren lagen die Hypothekarzinsen zeitweise bei sieben Prozent. Damit ist jedoch nicht zu rechnen. Aber eines ist klar: Die Zeiten der Negativzinsen sind vorbei.
Wie kann ich denn ausrechnen, ob und wie sehr der Mietzins für meine Wohnung in den kommenden Jahren steigen könnte?
Sofern der Mietvertrag auf einem Referenzzins von 1.5 Prozent beruht, kann die Vermieterin bzw. der Vermieter bei einer Anpassung des Referenzzinssatzes um 0.25 Prozentpunkte den Mietzins um drei Prozent anheben. Doch das ist noch nicht alles. Zusätzlich kann auch die gestiegene Teuerung zu 40 Prozent weiter verrechnet werden. Hinzu kommen allgemeine Kostensteigerungen von 0.5 Prozent pro Jahr. In Kombination bedeutete dies beim letzten Mal im Juni für zahlreiche Mieterinnen und Mieter Erhöhungen von bis zu sieben Prozent.
Der Wohnungsbau muss wieder forciert werden.
Der Think Tank Avenir Suisse schreibt, exorbitante Mietpreise seien ein Mythos. Was sagen Sie dazu?
Es ist korrekt, dass der durchschnittliche Anteil an Wohnkosten nicht ausserordentlich hoch ist. Meiner Meinung nach ist der Durchschnitt in dieser Hinsicht aber keine geeignete Messgrösse. Denn man muss immer auch an die unteren Einkommensstufen denken. Diese treffen nicht nur die aktuellen Mietzinsanpassungen, sondern auch die gestiegenen Nebenkosten stark.
Wo führt der Weg des Schweizer Mietmarktes denn hin?
Ich befürchte eine Verschärfung der aktuellen Situation. Die Baubewilligungen gehen zurück, gleichzeitig bleibt die Nachfrage hoch. Der Wohnungsbau muss wieder forciert werden. Mit Blick auf den Referenzzinssatz ist klar: Je mehr dieser steigt, desto mehr Mietverhältnisse sind betroffen, bei denen eine Mietzinserhöhung durchgesetzt werden dürfe.
Das Gespräch führte Patrick McEvily.