Das Schreiben der betroffenen Organisationen ging ans Vertretungsbüro der Schweiz in Ramallah im Westjordanland. Man sei extrem enttäuscht und überrascht vom Schritt der Schweiz, heisst es darin. Auf Nachfrage erklärt Lee Caspi von «Ärzte für Menschenrechte», einer der betroffenen Organisationen: «Wir erleben gerade die schwierigste Phase unseres Lebens – persönlich, gemeinsam und auch professionell.» Es gebe keine Transparenz darüber, wieso diese Entscheidung getroffen wurde.
Die Organisationen weisen auch darauf hin, dass sie erst im August von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) überprüft worden seien. «Es wurde wärmstens empfohlen, die Arbeit mit uns fortzusetzen», sagt Caspi.
Tatsächlich kam eine externe Evaluation der Deza-Partner im Nahen Osten zum Schluss: Die Arbeit der acht Organisationen unterstütze die aussenpolitischen Ziele der Schweiz. In dem Papier, das SRF vorliegt, heisst es auch: Die Organisationen würden Alltagsprobleme der Zivilbevölkerung lösen.
Politik spricht von «falschem Signal»
Kritik am Vorgehen des Aussendepartements kommt auch aus der Politik. Überprüfen könne man immer, sagt etwa SP-Nationalrat Fabian Molina. «Das öffentlich zu kommunizieren, Gelder zu sistieren, ist aber ein fatales politisches Signal.»
Wenn diese Diskussion in Europa weitergeht, dann könnten auch andere Finanzierungen eingefroren werden.
Dieses Signal sei im Moment sogar bedeutsamer als das Geld, erklärt Lee Caspi. Denn für das laufende Jahr sind die Gelder schon geflossen. Für Caspi ist klar: Der Entscheid aus dem Aussendepartement, die Situation schon wieder zu prüfen, sei nicht inhaltlich gerechtfertigt, sondern politisch motiviert. «Wenn diese Diskussion in Europa weitergeht, dann könnten auch andere Finanzierungen eingefroren werden», so Caspi.
Auch Bürgerliche kritisieren Cassis
Auch von bürgerlicher Seite gibt es Kritik an Cassis. Allerdings weniger wegen der laufenden Überprüfung, sondern wegen einer UNO-Resolution vom Wochenende, der die Schweiz zugestimmt hat und welche die Hamas als Urheberin der jetzigen Eskalation nicht klar benennt.
Der Präsident der aussenpolitischen Kommission und SVP-Nationalrat Franz Grüter sagt: «Ich habe den Eindruck, dass man richtungs- und führungslos ist.» Für ihn seien viele der Entscheidungen der Schweiz in der UNO nicht nachvollziehbar. Auch Mitte-Präsident Gerhard Pfister teilt die Auffassung, dass das EDA und dessen Vorsteher «nicht sagen, was ihnen wichtig ist». Es fehle eine klare Position.
Keine Kommunikation vom Bund
Linke und rechte Seite vermissen, aus unterschiedlichen Gründen, klare Signale von der Spitze des Aussendepartements – von Bundesrat Ignazio Cassis.
Dessen Medienstelle erklärt auf Anfrage: Bundesrat Cassis werde in den kommenden Wochen von der Taskforce über die Untersuchungen zu den NGOs informiert und werde dann auch Stellung nehmen. Der Entscheid zur UNO-Resolution stehe in der Tradition, dass sich die Schweiz für Menschenrechte einsetzt – daher sei keine persönliche Kommunikation des Aussenministers nötig.