Manche Tourismus-Hotspots in der Schweiz werden zunehmend von Reisegästen überrannt. Dagegen ergreifen betroffene Orte immer öfter Massnahmen: Park- oder Eintrittsgebühren etwa oder dynamische Preismodelle bei den Bergbahn-Tickets. Für Markus Berger von der Organisation Schweiz Tourismus kann das durchaus sinnvoll sein.
SRF News: Wie gross ist da Problem des Übertourismus in der Schweiz?
Markus Berger: Es ein Phänomen, das zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten durchaus vorkommt. Es ist aber nicht wirklich ein Problem.
Iseltwald verlangt Eintritt für einen berühmten Selfie-Spot am Brienzersee, Lauterbrunnen will für Autos eine sogenannte Talgebühr einführen, es sollen nur so viele Autos ins Tal gelassen werden, wie es Parkplätze gibt. Wie schätzen Sie das ein?
Solche Massnahmen mögen sinnvoll sein – passend zur Situation vor Ort. Wichtig ist, dass sie nicht nur die Bevölkerung entlasten und den Tourismus für sie erträglich machen. Die Massnahmen müssen auch für die Gäste nachvollziehbar sein. Und es muss klar sein, welche Gegenleistung sie dafür erhalten.
Können solche Massnahmen einem Tourismusort womöglich auch schaden?
Einen gewissen Dichtestress sind wir uns alle gewohnt – etwa am Morgen im Tram, am Wochenende beim Einkaufen oder im Stossverkehr im Auto. Und auch im Tourismus gibt es zuweilen viele Leute am selben Ort. Die Frage ist nun, wie man damit umgeht.
In Lauterbrunnen muss ich zwar die Talgebühr bezahlen – dafür finde ich sicher einen Parkplatz.
In Lauterbrunnen oder in Iseltwald wissen die Gäste, was sie für die Gebühren erhalten. Wenn ich also nach Lauterbrunnen fahre, dann weiss ich, dass ich zwar die Gebühr entrichten muss, aber dafür sicher einen Parkplatz finden werde. Ausserdem weiss ich, dass die Zahl der Gäste im Tal so quasi beschränkt ist. Solange die Massnahme auch für den Gast einen Vorteil bringt, wird sie akzeptiert und sogar geschätzt.
Mit solchen Massnahmen steigen die Kosten für die Gäste. Ist die Schweiz nur noch für Touristinnen attraktiv, die viel Geld verdienen?
Fakt ist: Die Schweiz ist ein Hochpreisland. Sie spricht sowieso nur jene Gäste an, die sich die Schweiz leisten können: Schweizerinnen und Schweizer sowie internationale Gäste, die aber wissen, dass das Preisniveau hoch ist. Die einzelnen Gebühren für Eintritte, Parkieren etc. fallen bei einem Reisebudget allerdings nicht sehr stark ins Gewicht.
Im Ausland gehen manche Orte noch weiter. Amsterdam etwa beschränkt die Zahl der Gäste-Übernachtungen. Droht ähnliches auch an manchen Orten in der Schweiz?
In der Schweiz sind übers Jahr gesehen nicht einmal die Hälfte aller Hotelbetten gebucht. Es hat in den Hotels also noch viel Platz, vor allem in den Nebensaisons. Die Kunst ist nun, dass die Hotels möglichst flächendeckend und auch neben den Hauptsaisons ausgelastet werden.
Gäste aus Südostasien reisen am liebsten im September – und füllen in der Schweiz eine gewisse Gästelücke.
Können Sie als Tourismusorganisation die Touristenströme tatsächlich ein Stück weit lenken?
Wir betreiben in 23 Ländern Büros. Dort sprechen wir mit Reiseveranstaltern und Gästen vor Ort. Wir machen sie darauf aufmerksam, wann die beste Reisezeit in die Schweiz ist. Und wenn sie unbedingt die Schweizer Reise-Highlights sehen möchten, machen wir sie darauf aufmerksam, was es hier sonst noch alles zu sehen gibt – etwa mit einer mehrtägigen Bahnreise.
Gäste aus Südostasien beispielsweise reisen am liebsten im September – und füllen in der Schweiz eine gewisse Gästelücke. Mit einem guten Mix aus Gästen aus den verschiedenen Herkunftsmärkten können wir dazu beitragen, dass wir in der Schweiz eine ausgeglichenere Belastung im Tourismus haben.
Das Gespräch führte Dominik Rolli.