Henrique Schneider, da war doch was? Genau: Eigentlich hätte er letzten Sommer Direktor des einflussreichen Schweizerischen Gewerbeverbands werden sollen – der Vorstand hatte ihn bereits gewählt. Doch dann zog der Verband in letzter Sekunde die Notbremse. Die «NZZ am Sonntag» hatte ans Licht gebracht, dass Schneider in seiner akademischen Laufbahn plagiiert haben soll.
Der Gewerbeverband gab eine Untersuchung in Auftrag, welche viele der Vorwürfe bestätigte – und liess Schneider daraufhin fallen. Nun ist Schneider plötzlich wieder da – und zwar als Generalsekretär der grössten Partei der Schweiz.
Wir suchen den bestmöglichen Generalsekretär für die SVP. Wir sind überzeugt, dass wir diese Person mit Henrique Schneider gefunden haben.
Die Vorgeschichte von Herrn Schneider? Für die SVP kein Problem: «Er hat sich klar gegen eine EU-Anbindung ausgesprochen und sich klar gegen das Stromfressergesetz positioniert», sagt SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi. «Für zahlreiche Mitglieder im Gewerbeverband war er mit diesen Positionen etwas zu SVP-nah.»
Tatsächlich interpretierten viele Beobachter den Streit um Schneider auch als Richtungskampf. Dahingehend, wie viel Einfluss die SVP im Gewerbeverband künftig haben soll. Hat sich die SVP daher nun erbarmt und Schneider mit dem Jobangebot als Generalsekretär quasi ein Auffangbecken angeboten?
«Ganz im Gegenteil», sagt Aeschi. «Wir suchen den bestmöglichen Generalsekretär für die SVP. Wir sind überzeugt, dass wir diese Person mit Henrique Schneider gefunden haben.» Dieser sei bestens qualifiziert und liege mit seiner Positionierung auf Linie der Partei. Aeschi zeigt sich überzeugt, dass Schneider die Aufgaben des Generalsekretärs «zur besten Zufriedenheit» der Partei erfüllen werde.
Politik ist keine Wissenschaft
Und die Vorwürfe des Plagiierens? Die SVP suche keinen Uni-Professor, sagt Aeschi, sondern einen politischen Kopf – und in der Politik gelten nun mal andere Regeln als in der Wissenschaft. «Wir Politiker plagiieren uns selbst sehr häufig: Wir wiederholen immer wieder die gleichen Argumente zu gewissen politischen Themen.»
Schneider selbst hat auf Anfragen von SRF News nicht reagiert. Dafür aber Nicolo Paganini. Er ist Nationalrat der Mitte und Mitglied der Gewerbekammer des Schweizerischen Gewerbeverbandes. Paganini hatte sich letzten Sommer gegen Schneider als neuen Gewerbedirektor ausgesprochen – wegen der gegen ihn erhobenen Vorwürfe.
Dazu, dass Schneider jetzt Generalsekretär des SVP wird, sagt Paganini: «Der Generalsekretär ist nicht der Parteipräsident und damit das Gesicht der Partei». Beim Gewerbeverband wäre Schneider dies durchaus gewesen, so der Mitte-Mann. «Die SVP wird sich gut überlegt haben, ob sie das machen soll oder nicht.»
Ein akribischer Arbeiter
Paganini betont, dass er Schneider beim Gewerbeverband als akribischen Arbeiter erlebt habe: «Wenn man ein Dossier von ihm bekommt oder eine Stellungnahme von ihm liest, hat das Hand und Fuss und ist durchdacht.» Natürlich widerspiegelten diese Schriften auch Schneiders Weltbild. «Sie sind aber mit viel Arbeit unterlegt.»
Und welchen Einfluss könnte Schneider auf den Kurs der SVP haben? Bei den Themen Migration und Europa hätten andere Köpfe in der SVP die Deutungshoheit, sagt Paganini. Aber: «In der Wirtschaftspolitik ist Herr Schneider häufig einen stramm ordoliberalen Kurs gefahren. Es könnte sein, dass er hier versuchen wird, Einfluss zu nehmen und es gewisse Korrekturen bei der Ausrichtung geben wird.»