Die Pflegeinitiative will die Arbeitsbedingungen von Pflegefachpersonen verbessern. Den Eidgenössischen Räten gehen die geforderten Massnahmen aber zu weit. Sie haben einen Gegenvorschlag erarbeitet und verabschiedet.
Es werden nun die Weichen für das weitere Vorgehen gestellt: Die Initiantinnen und Initianten entscheiden, ob sie an ihrer Initiative festhalten wollen oder ob sie sich mit dem Gegenvorschlag zufriedengeben.
Während der Pandemie wurde als Dank kräftig von den Terrassen im Land applaudiert. Doch Applaus von den Balkonen reicht nicht, denn die Schweiz bildet zu wenig Pflegepersonal aus – und die Ausgebildeten haben oft nach ein paar Jahren genug. Laut einer Untersuchung von 2016 steigen 46 Prozent vorzeitig aus dem Beruf aus. Das ist fast jede zweite Pflegefachkraft.
Räte wollen auch handeln, aber anders
Auch National- und Ständerat sehen Handlungsbedarf: Die Pflegeinitiative aber wollte aus ihrer Sicht zu viel. Darum entwickelten und verabschiedeten sie einen Gegenvorschlag.
Der Gegenvorschlag setzt bei der Ausbildung an. So sollen Bund und Kantone angehende Pflegefachkräfte finanziell unterstützen. Das kostet rund 470 Millionen Franken.
Weiter sollen Pflegefachleute teilweise mit den Krankenkassen selbstständig abrechnen können. Damit erfüllt der Gegenvorschlag zwei wichtige Forderungen der Initiative.
Dieser Gegenvorschlag beinhaltet wesentliche Massnahmen nicht.
Yvonne Ribi ist die Geschäftsführerin des Schweizer Verbands der Pflegefachfrauen und -männer (SBK). Für sie ist das aber zu wenig: «Dieser Gegenvorschlag beinhaltet gute Massnahmen. Allerdings beinhaltet er wesentliche Massnahmen nicht, die dazu führen würden, dass dem anhaltenden Pflegenotstand wirksam entgegengetreten würde.»
Gegenvorschlag ohne Punkte zur Work-Life-Balance
Konkret vermisst Ribi Massnahmen für bessere Arbeitsbedingungen, damit die Angestellten Beruf und Familie vereinbaren können. Zudem bräuchte es gemäss Ribi mehr Personal auf den Schichten, damit der Stress kleiner wird.
Nun aber stehen die Initiantinnen vor einem Dilemma: Ziehen sie die Initiative zurück, fehlen diese Anliegen. Dafür geht es vorwärts. Die Behörden können mit der Umsetzung des Gegenvorschlages beginnen.
Halten die Initiantinnen und Initianten jedoch an der Initiative fest, dauert es länger, bis konkrete Massnahmen getroffen werden. Dann käme es zuerst zur Volksabstimmung und erst später allenfslls zu einer Umsetzung.
Bessere Bedingungen kämen erst viel später
Sollte das Volk die Initiative annehmen, müsste die politische Debatte um die Umsetzung wieder von vorne beginnen. Das dauert. Yvonne Ribi vom Pflegefachverband sagt: «Es ist kein einfacher Entscheid.»
Es ist kein einfacher Entscheid.
Gefällt wird er nach den Schlussabstimmungen im Parlament am 18. Juni 2021. Dort werden National- und Ständerat die Initiative höchstwahrscheinlich ablehnen, denn sie haben dem Gegenvorschlag bereits zugestimmt.