Die SVP wird momentan immer mehr zur Heimat vieler Corona-Skeptiker und Massnahmen-Gegner. SRF-Recherchen zeigen, dass es dadurch viele Partei-Neueintritte, aber auch zahlreiche Austritte gibt. Kann die SVP nachhaltig ihre Wählerbasis erweitern oder ist dies nur eine kurzzeitige Stimmungsschwankung? Und wie beeinflussen die Neumitglieder das Profil der grössten Schweizer Partei? Politologie-Professor Andreas Ladner gibt Auskunft.
SRF News: Handelt es sich beim vermehrten Zulauf von Massnahmen-Gegnern in der SVP um das Ergebnis einer gezielten Strategie?
Andreas Ladner: Es handelt sich wahrscheinlich eher weniger um eine bewusste Strategie. Es ist schwierig für eine Partei bei solchen Ereignissen strategisch gezielt vorzugehen, um so Wähler zu gewinnen. Sicher ist aber, dass die SVP natürlich auch eine Chance sieht, Leuten, die ein anderes Verhältnis zu Corona haben als der Mainstream, eine Stimme zu geben, um dann davon zu profitieren.
Kann die SVP unter diesen Leuten eine neue Basis schaffen? Eventuell auch bei Leuten, die vorher nicht SVP gewählt haben?
Da muss man unterscheiden. Sie kann sich kurzfristig als Partei darstellen, die offener gegenüber Impfgegnern ist. Hierbei muss man aber sagen, dass die Elite der Partei nicht zu den Impfgegnern gehört, sich jedoch so präsentiert und sagt, «wir sind weniger intolerant als andere Parteien».
Längerfristig Leute an sich zu binden, ist für eine Partei immer eine Herausforderung. Das dürfte bedeutend schwieriger werden, da ja ein Thema im Vordergrund steht und nicht ein Parteiprogramm. Ich zweifle stark daran, dass es der SVP gelingen wird, Leute aus einem anderen politischen Lager – etwa linksalternative Impfgegner – für sich zu gewinnen.
Kann die SVP die Neuanhänger auch in Zukunft und bei anderen Themen als Wähler halten?
Ich glaube nicht. Es macht für die SVP auch keinen Sinn, eine allzu grosse Heterogenität in ihrer Wählerschaft zu halten. Die SVP hat ihre politische Linie und wird versuchen, dieser treu zu bleiben. Von Linksalternativen beispielsweise ist sie in allen anderen Themen schlicht zu weit entfernt. In der Corona-Frage hat sie eine Position gefunden, die es ihr erlaubt, auch viele ihrer gewerblich orientierten Wähler anzusprechen, die stark unter den harten Massnahmen leiden. Ihnen will sie vor allem eine politische Heimat bieten.
Ich sehe kein Bruch mit der Vergangenheit und keine Neuorientierung der Partei.
Wie verändert die aktuelle Entwicklung das Profil der Partei?
Es kommt natürlich darauf an, wie die SVP mit diesem Zulauf umgeht. Im Moment sieht man noch keinen Wandel des politischen Profils. Die SVP ist hier nicht komplett militant, sondern lediglich offen für Kreise, die nicht so stark auf der Linie des Bundesrates sind. Das sind doch auch Positionierungen, die sich aus der politischen Heimat der Partei ableiten lassen. Ich sehe hier kein Bruch mit der Vergangenheit und keine Neuorientierung der Partei.
Kann die SVP von der jetzigen Situation profitieren?
Ich glaube, dass für die Partei durchaus eine Chance besteht, sich wieder ins Gespräch zu bringen. Jedoch kann die Partei nur profitieren, wenn es sich so entwickelt wie es im Moment aussieht. Also mit sinkenden Fallzahlen und einer tragbaren Spitalauslastung.
Sollte sich die Situation verschlimmern und man zum Schluss kommen, dass man vehementer gegen die Corona-Pandemie hätte vorgehen müssen, würde es der SVP schwierig fallen, hier Gewinn zu machen. Im Moment sieht es eher danach aus, dass die SVP profitiert. Wie die Situation abschliessend aussehen wird, können wir im Moment jedoch noch nicht sagen.
Das Gespräch führte Leonardo Siviglia.