- Ein Vater soll vor zehn Jahren im Kanton Solothurn sein eigenes Baby erstickt haben. Nun stand er während drei Tagen vor Gericht.
- Der Mann soll später zudem seine wenige Wochen alte Tochter so stark geschüttelt haben, dass sie ein Schütteltrauma und Blutungen erlitt und operiert werden musste, sagt die Anklage.
- Die Behörden starteten nach dem zweiten Vorfall aufwändige verdeckte Ermittlungen. Aber Beweise fehlen in diesem Indizienprozess.
- Die Solothurner Staatsanwalt fordert für den Kindsvater über 16 Jahre Freiheitsstrafe wegen vorsätzlicher Tötung. Die Verteidigerin fordert einen Freispruch.
Der tragische Fall aus den Jahren 2010 und 2012 wurde vor dem Amtsgericht Dorneck-Thierstein verhandelt, aus Platzgründen in einem Saal in Solothurn. Die Frage: Wer hat das acht Wochen alte Baby vor zehn Jahren in Breitenbach (SO) getötet, das zweite geschüttelt? Wer kommt nebst dem Vater überhaupt in Frage?
Konkrete Beweise fehlen in diesem Fall, trotz jahrelanger Ermittlungen. Die Aufgabe des Amtsgerichts ist damit alles andere als einfach, zumal der angeklagte Vater vor Gericht nicht ausgesagt hat.
Vater will sich nicht erklären
Der Vater sagte während den drei Tagen vor Gericht kein einziges Wort. Laut Verteidigerin ist er nicht in der Lage auszusagen. Er habe eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten aufgrund der über zehn Jahre andauernden Ermittlung gegen ihn.
Er habe in den Einvernahmen immer wieder gesagt, dass er nicht schuldig sei und habe dem Druck die ganze Zeit standgehalten. Er habe das Vertrauen in die Justiz und in den Rechtsstaat komplett verloren, begründete sie das Verhalten ihres Mandanten.
«Der Vater war überfordert»
Die Staatsanwaltschaft sieht das anders. Es könne nur der Vater gewesen sein, der diese Taten begangen habe. Sie fordert für den Angeklagten 16.5 Jahre Gefängnis. Der Vater sei überfordert gewesen. Er habe gewollt, dass die Kinder aufhören zu schreien. Dieses Motiv sei zwar etwas nachvollziehbar, aber «unentschuldbar».
Dem verstorbenen Buben habe der Mann von Hand die Atemwege zugehalten. Die Verletzungen würden dies zeigen, sagte der zuständige Staatsanwalt vor Gericht. Es müsse jemand aus dem engsten Familienkreis gewesen sein. Man könne ausser dem Vater alle anderen Familienmitglieder für die Tat ausschliessen.
Die Mutter sei mehrmals mit dem verletzten Kind zur Mütterberatung, zur Kinderärztin und ins Spital. Das hätte sie nicht getan, wenn sie das Mädchen selber geschüttelt hätte. Der Vater zeige keine Reue, ein wehrloses Baby sei verstorben. Beides spreche für eine hohe Strafe, so die Anklage.
Die jahrelange verdeckte Ermittlung sei nicht unverhältnismässig gewesen, sagte der Staatsanwalt. Nachdem man bei der Familie auf «eine Mauer des Schweigens» getroffen sei, habe es keine andere Möglichkeit gegeben.
Kein Tötungsdelikt, sondern Unfall?
Die Verteidigerin plädiert auf einen Freispruch. «Nichts weist auf ein Tötungsdelikt hin», sagte sie in ihrem Plädoyer. Die Rechtsmedizinischen Gutachten aus Basel und Chur würden sich widersprechen, dies lasse Fragen offen.
Gemäss Verteidigerin schlief das Baby oft im Elternbett. Die Mutter wog 106 Kilogramm. Die Verteidigerin vermutet, dass die Mutter auf das Baby gerollt sein könnte. Auch ein Ohnmachtsanfall, den die Mutter offenbar ab und zu erlitt, könnte die Rippenbrüche des verstorbenen Buben erklären. «Bei Untersuchungen bei Mütterberatung, Kinderärztin und im Spital wurden nie Misshandlungen vermutet», argumentierte sie.
Kritik an verdeckten Ermittlern
Zudem hatte die Verteidigerin schon zu Beginn des Prozesses die verdeckten Ermittlungen scharf kritisiert. Die Behörden hätten damit versucht, das «Recht zu schweigen» der Verdächtigen zu umgehen. Dies sei rechtswidrig. Das Verfahren gegen die Mutter der beiden Kleinkinder war schon vor Jahren eingestellt worden.
Das Urteil des Amtsgerichts Dorneck-Thierstein wird voraussichtlich am 6. Mai eröffnet.