Der tragische Fall erregte landesweit Aufsehen: Im Jahr 2010 starb im Solothurner Schwarzbubenland ein erst zwei Monate alter Junge. Laut rechtsmedizinischem Gutachten könnte er erstickt worden sein.
Später zogen die Eltern des verstorbenen Kindes ins Baselbiet. Sie bekamen eine Tochter, die dann als Säugling mit Verletzungen ins Spital gebracht wurde. Verletzungen, die auf ein «Schütteltrauma» hindeuten könnten. Wieder gerieten die Eltern ins Visier der Behörden.
Nun muss sich der inzwischen 35-jährige Vater vor Gericht verantworten. Die zuständige Solothurner Staatsanwaltschaft wirft ihm vorsätzliche Tötung und mehrfache versuchte vorsätzliche Tötung vor. Es gilt die Unschuldsvermutung. Seine Verteidigerin plädiert laut «bz Basel» auf einen Freispruch. Die Untersuchungen gegen die Mutter wurden vor knapp vier Jahren eingestellt, sie hat auch das Sorgerecht für ihre Tochter wieder erhalten.
Wie weit dürfen Ermittlungen gehen?
So weit, so dramatisch und tragisch. Doch der Prozess interessiert auch aus rein juristischen Gründen. Denn diesem Prozess ging wohl eine der grössten verdeckten Ermittlungsaktionen bei einem Tötungsdelikt im privaten Umfeld voraus.
Die Eltern hatten nach den ersten Befragungen durch die Polizei auf Anraten ihres Anwalts keine Aussagen mehr gemacht. Da die Ermittlungen ins Stocken gerieten, suchten die Solothurner Behörden nach neuen Methoden. Die Eltern der beiden Kinder wurden über Monate abgehört. Auch in Schlaf- und Badezimmer wurden Wanzen versteckt.
Im Einsatz standen zudem mehrere verdeckte Ermittlerinnen und Ermittler, die sich vor allem ins Privatleben der Frau eingeschlichen hatten. Eine Ermittlerin wurde von der Mutter in einem Beitrag von SRF sogar als «enge Freundin» bezeichnet. Sie soll in einem ihrer Berichte an die Staatsanwaltschaft mindestens eine belastende Aussage der Mutter protokolliert haben. Insgesamt entstanden 111 solcher Berichte – die meisten Inhalte sind aber wohl kaum juristisch relevant.
Welche Aussagen sind verwertbar?
Der Anwalt der Mutter legte Beschwerde gegen diese Ermittlungsmethoden ein. Das Solothurner Obergericht taxierte sie als «unzulässig», was auch in der Solothurner Politik zu reden gab. Das Bundesgericht hingegen stützte später die Staatsanwaltschaft. Bei diesem mutmasslich schweren Verbrechen sei der Einsatz von Abhörgeräten und verdeckten Ermittlerinnen legitim. Allerdings: Auch das Bundesgericht erklärte in seinem Urteil, dass es grundsätzlich ein «Recht zu schweigen» gebe.
Vor Gericht verwertbar sei nur, was die Verdächtigen von sich aus erzählten. Nicht zulässig sei, wenn «der verdeckte Ermittler (...) in einer vernehmungsähnlichen Weise dem Beschuldigten Fragen unterbreitet, die diesem bei der Einvernahme gestellt wurden oder hätten gestellt werden sollen, und ihn zur Aussage drängt», so das höchste Gericht wörtlich.
Darauf wird sich nun wohl die Verteidigung des Angeklagten stützen. Das Gericht muss die heikle Frage klären, welche Erkenntnisse aus den verdeckten Aktionen der Polizei tatsächlich als belastende Indizien gegen den Vater zugelassen werden können.
Der Prozess ist auf drei Tage angesetzt. Die Verhandlung findet vor dem Amtsgericht Dorneck-Thierstein statt, aus Platzgründen allerdings in einem Gerichtssaal in der Kantonshauptstadt Solothurn. Das Urteil wird am 6. Mai bekannt.