«Verrückt» - diesen Schriftzug sieht, wer am Basler Barfüsserplatz durch die Glastüre das Historische Museum betritt. Wenige Schritte weiter kippen die Buchstaben im Blickfeld, und an derselben Wand steht «normal». Alles ist eine Frage der Perspektive, erst recht in Sachen Psychiatrie.
In 150 Jahren Basler Psychiatriegeschichte hat sich die Wahrnehmung verändert. «Die Grenze zwischen ‹verrückt› und ‹normal› hat sich im Lauf der Zeit verschoben; die war nicht immer gleich», sagt Gudrun Piller, Kuratorin der Ausstellung.
Von Hysterie zu ADHS
Trotz allen wissenschaftlichen Fortschritten ist schon die Diagnose schwierig. Schliesslich kann man die Psyche nicht unters Mikroskop legen oder röntgen. Man muss sich mit Abklärungen und Tests zu Indizien behelfen.
Früher sah man das anders. Man nahm an, dass einer psychischen Erkrankung ein körperliches Problem zugrunde liegt. Entsprechend suchte man danach.
Manche früheren Diagnosen muten heute seltsam an, etwa Hysterie. Umgekehrt werden heute neue Krankheitsbilder beschrieben – Flugangst, Messie-Syndrom, Kaufsucht oder ADHS. Für 30 Diagnosen hat das Museum je eine Schublade eingerichtet, mit Texten, Bildern oder passenden Gegenständen.
Opium gegen Depression
Behandlungsmethoden – denen die Ausstellung viel Platz gibt – waren zu Beginn der Psychiatriegeschichte oft behelfsmässig. Nur wenige Medikamente waren greifbar, neben Schlafmitteln zum Beispiel Opium gegen Depressionen. Die Freud'sche Psychotherapie gelangte kaum in eine «Anstalt».
Der therapeutischen Ohnmacht war sich die Psychiatrie bewusst. Zwangsmittel waren deshalb über viele Jahre nicht selten.
Dekaden später kamen Schlafkuren dazu sowie Fieberkuren mittels Malaria-Erregern. Man begann mit körperlichen Schockzuständen zu arbeiten. Dafür kamen Insulin, Epilepsieauslöser oder Strom zum Einsatz. Vereinzelt kam es ab 1946 zu chirurgischen Eingriffen am Gehirn.
Ab den 1950er-Jahren arbeitete man vermehrt mit verschiedenen Psychotherapien. Zudem brachten neue Medikamente Fortschritte und auch mehr Ruhe in die Klinik.
Körperliche Methoden verschwanden indes nicht ganz, sondern werden teils verfeinert bis heute angewendet. Dazu gehören beispielsweise Elektro-Impulse bei schweren Depressionen.
Die «Irrenanstalt» wird zur psychiatrischen Klinik
Stark verwandelt hat sich vor allem der Blick auf psychisch kranke Menschen. Neben den veränderten Therapien kann man ihn an baulichen Veränderungen ablesen.
Die früheren «Irrenanstalten» war draussen, weg von städtischen Ablenkungen. Inzwischen sind psychiatrische Kliniken oft mitten in der Stadt. Das passt dazu, wie man psychisch Kranke heutzutage sieht: Sie gehören zur Gesellschaft, genauso wie das Bewusstsein, dass psychische Krankheiten verbreitet sind.
Wie wir mit dem Zwang umgehen, war immer eine der grossen Herausforderungen der Psychiatrie.
Die Geschichte der Psychiatrie sei keine Entwicklung vom Neandertal zum Paradies, sagt die Kuratorin Gudrun Piller: «Es gab zu jeder Zeit die Frage, wie wir mit dem Zwang umgehen. Das war von den Anfängen bis heute eine der grossen Herausforderungen der Psychiatrie.»
Ihr sei sehr wichtig, dies in der Ausstellung differenziert zu betrachten. Die Ausstellung «Verrückt normal» im Historischen Museum Basel in der Innenstadt ist noch bis im Sommer 2025 offen.