Eine Bushaltestelle an der frischen Luft. Die Menschen stehen eng zusammen, einige rauchen eine Zigarette. Auch hier sei Passivrauchen ein Problem, sagt Isabella Sudano, Leitende Ärztin in der Kardiologie des Unispitals Zürich und dort zuständig für die Raucherberatung.
Ob Innen- oder Aussenraum sei gar nicht so entscheidend, betont sie. «Auch an der Bushaltestelle nehmen Sie Chemikalien zu sich, die in der Lunge eigentlich nichts zu suchen haben.»
EU will vollständig rauchfrei werden
Entscheidender sei die Frage, wie häufig und wie lange jemand Zigarettenrauch ausgesetzt sei und wie viele rauchende Personen gleichzeitig anwesend sind, betont Sudano. Untersuchungen aus anderen Ländern würden klar zeigen, dass Rauchverbote auch im Freien Auswirkung auf die Gesundheit der Menschen haben.
Viele Länder setzen daher auf weitergehende Verbote als die Schweiz. So haben es sich die EU und andere Länder offiziell zum Ziel gesetzt, ganz rauchfrei zu werden. Konkret heisst das, dass der Anteil der Raucherinnen und Raucher unter fünf Prozent sinken soll.
In der Schweiz liegt der Raucheranteil noch zwischen 25 und 30 Prozent. Ein offizielles Ziel, rauchfrei zu werden, hat die Schweiz nicht.
Rauchen hat eine Kulturgeschichte
Wäre das für die Schweiz nicht auch erstrebenswert? Oder was spricht gegen dieses Ziel, als Land möglichst rauchfrei zu werden? Der Psychoanalytiker und Philosoph Peter Schneider – selber Raucher – gibt zu, dass ein solches Ziel unter gesundheitlichen Aspekten zwar sinnvoll sei.
Doch: «Man sollte das Rauchen, das auch eine lange Kulturgeschichte hat, nicht zu sehr stigmatisieren.» Seiner Meinung nach würden die Menschen eine allzu starke Regulierung nicht goutieren.
Das Rauchen hat eine lange Kulturgeschichte. Man sollte es nicht zu stark stigmatisieren.
Schneider bezweifelt daher, dass eine rauchfreie Schweiz ein erstrebenswertes Ziel sei. Er glaubt, es brauche eine gewisse Toleranz für Spezialinteressen oder Eigenheiten anderer – «so lange sie für die anderen nicht grob gesundheitsschädlich sind».
Störungen gehören zum öffentlichen Raum dazu
Im öffentlichen Raum gebe es vielerlei Störungen. Entsprechend gehöre zur Teilnahme am öffentlichen Raum auch eine gewisse Störungstoleranz, sagt Schneider.
Und: «Je mehr man versucht, Störungen zu eliminieren, umso empfindlicher wird man gegenüber Störungen.» Für unser Zusammenleben sei es also nicht immer förderlich, alle Störungen aus dem öffentlichen Raum möglichst zu verbannen.
Bei der Diskussion um mehr Verbote für Raucherinnen und Raucher spielen also nicht nur gesundheitliche Fragen eine Rolle. Auch die Frage, wie viele Einschränkungen im öffentlichen Raum erträglich sind, muss diskutiert werden.