Aussenminister Ignazio Cassis versicherte den Schweizerinnen und Schweizern gestern, dass sie sich keine Sorgen um die Zukunft der Beziehungen zur EU machen müssten.
«Die Schweiz und die EU bleiben auch in Zukunft durch eine enge Partnerschaft verbunden», beschwichtigte der FDP-Bundesrat. Bloss wie genau das vonstattengehen soll, steht auf einem anderen Blatt.
Die EU jedenfalls hat signalisiert, dass sich die Beziehungen mit der Schweiz verschlechtern dürften. Neue Abkommen seien nicht möglich und die bestehenden würden nicht mehr angepasst. Was also tun? Eine mögliche Antwort lautet: nichts.
Schweiz führt die erfolgreiche Politik der bilateralen Abkommen weiter.
Es brauche keinen Plan B, heisst es vonseiten der SVP. Die Partei begrüsst das Ende des Rahmenabkommen explizit. Für Fraktionschef Thomas Aeschi ist klar: «Die Schweiz führt die erfolgreiche Politik der bilateralen Abkommen, die sie weltweit mit allen Ländern pflegt, weiter und schliesst dort Abkommen ab, wo es für die EU und die Schweiz von Interesse ist.»
Beitrittsverhandlungen und EWR müssen jetzt auf dem Tisch liegen.
Ganz anders sieht das dagegen SP-Co-Präsident Cédric Wermuth. Für ihn steht der Bundesrat nun in der Pflicht: «Da muss auch die Möglichkeit der Eröffnung von Beitrittsverhandlungen auf dem Tisch liegen. Da muss der EWR auf dem Tisch liegen.» Es sei die Aufgabe des Bundesrates, nun schnell mögliche Optionen aufzuzeigen.
Werden wohl oder übel mit den Konsequenzen leben müssen.
Während die Politik über die nächsten Schritte streitet, kommen aus der Wirtschaft fast nur pessimistische Töne. «Wir werden wohl oder übel mit den Konsequenzen leben müssen», sagt Christoph Mäder, Präsident des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse. Er erwartet, dass die Probleme mit Brüssel zunehmen.
Gerade für eine äusserst wichtige Branche drohe neues Ungemach: die Maschinenindustrie. Die nächste grosse Diskussion werde sich über die Maschinenrichtlinie entspannen, sobald die gegenseitige Anerkennung endet. Das werde wohl 2023 oder 2024 der Fall sein.
Schweizer Stromnetz gefährdet
Auch für die Strombranche war der gestrige Tag kein guter. So lautet zumindest die Einschätzung des Verbands der Schweizerischen Elektrizitätsunternehmen (VSE). Dessen Direktor Michael Frank glaubt nach gestern nicht mehr an ein Stromabkommen mit der EU.
Das werde zu Problemen führen, erklärt er: «Ohne ein Abkommen oder eine geregelte Stromkooperation ist die Stabilität des Schweizer Stromnetzes gefährdet.» Aufgrund der Massnahmen, die für die Netzstabilität ergriffen werden müssen, würden der Schweiz Mehrkosten entstehen.
EU-Kommission wäre blöd, die guten und geregelten Wirtschaftsbeziehung zur Schweiz aufs Spiel zu setzen.
Bei den Gewerkschaften teilt man diesen Pessimismus nicht. Die Schweiz sei ein wichtiger Handelspartner der EU, so der Chefökonom des Gewerkschaftsbundes, Daniel Lampart: «Fakt ist, dass auch die EU ein grosses Interesse an guten und geregelten Wirtschaftsbeziehungen zur Schweiz hat. Die EU-Kommission wäre blöd, das aufs Spiel zu setzen.»
Lampart hält die Ankündigungen aus Brüssel deshalb für eine Drohkulisse. Er glaubt an pragmatische Lösungen. Damit sind die Gewerkschaften für einmal statt mit der SP eher mit der SVP gleicher Meinung.