- Die Schweizer Stimmbevölkerung könnte bald ein zweites Mal über die Einführung eines elektronischen Identitätsnachweises abstimmen.
- Ein Teil der Referendumsunterschriften gegen das E-ID-Gesetz wurde bereits bei der Bundeskanzlei eingereicht.
- Dies geschah offenbar teilweise ohne Okay der entsprechenden Organisationen.
Ein Komitee, bestehend aus den Freunden der Verfassung, Aufrecht Schweiz und dem Verfassungsbündnis Schweiz, hat in Bern 26'000 gesammelte Unterschriften gegen eine staatliche E-ID eingereicht. Ebenfalls eingereicht wurden nach dessen Angaben 20'000 Unterschriften der Piratenpartei Schweiz respektive des Vereins Referendum E-ID 2.0.
Kontaktiert von der Nachrichtenagentur Keystone-SDA, sagte Piratenpartei-Präsident Jorgo Ananiadis, dass er nichts von einer Einreichung der Unterschriften wisse. Er sprach von einer «Aneignung der Unterschriften» durch andere Kreise.
Gemäss einem Dokument, das der Nachrichtenagentur vorliegt, wurden die zwei von der Piratenpartei für das E-ID-Referendum entsandten Vorstandsmitglieder vor zwei Wochen abgewählt. Dabei handelt es sich um Nicole Rüegger und Jonas Sulzer, die gemäss aktuellen Informationen die Referendumsunterschriften der Piratenpartei bei der Bundeskanzlei eingereicht haben.
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«Wie wir aus einer Medienmitteilung erfahren haben, wurden heute 20'000 Unterschriften der Piratenpartei bei der Bundeskanzlei eingereicht, ohne dass der Vorstand davon in Kenntnis gesetzt wurde», schrieb die Piratenpartei in einer Mitteilung. Ananiadis sprach von einer «Racheaktion» der abgesetzten Vorstandsmitglieder.
Aussage gegen Aussage
Damit nicht genug. Die Bewegung Mass-Voll, die Anfang Januar als Erste das Referendum gegen die Einführung einer staatlichen E-ID ergriffen hatte, fühlt sich auch betrogen. Sie fordert die sofortige Rückgabe eines Teils der eingereichten Unterschriften. Nicolas Rimoldi, Präsident der Bewegung, geht davon aus, dass Unterschriftenbögen von Mass-Voll ohne sein Einverständnis eingereicht worden sind. «Das Vorgehen ist klar illegal», sagte er Keystone-SDA. Seine Juristen prüften eine Strafanzeige gegen die Freunde der Verfassung.
Remko Leimbach, Präsident von Aufrecht Schweiz, widersprach dieser Darstellung auf Anfrage. Die rund 20'000 Unterschriften, welche Mass-Voll gesammelt habe und die zur gebündelten Beglaubigung an sein Komitee geschickt worden seien, seien noch nicht eingereicht worden.
Kein Konsens über Einreichungsform
Die Lage ist unübersichtlich. Klar scheint, dass aktuell über 40'000 Unterschriften gegen das E-ID-Gesetz bei der Bundeskanzlei eingereicht sind. Für ein gültiges Referendum braucht es 50'000 beglaubigte Unterschriften, die im vorliegenden Fall bis am kommenden Dienstag bei der Bundeskanzlei eingereicht werden müssen.
Laut schriftlichen Angaben der Freunde der Verfassung sind bisher landesweit über 63'000 Unterschriften gesammelt worden. Eigentlich sei eine gemeinsame Einreichung am kommenden Dienstag geplant gewesen, sagte Rimoldi der Nachrichtenagentur. Er werde nun den Teil der Unterschriften kommende Woche nachreichen, den seine Organisation gesammelt habe.
Gemäss einem der Agentur vorliegenden Mailverkehr zwischen Rimoldi und Roland Bühlmann, dem Präsidenten der Freunde der Verfassung, gab es über den Einreichungstermin keinen Konsens. Rimoldi beruft sich auf einen Vertrag, den die Verfassungsfreunde gebrochen haben sollen. Bühlmann war für Keystone-SDA telefonisch nicht erreichbar.