Es war die grosse Überraschung im Baselbiet bei den gestrigen Wahlen: Thomi Jourdan von der Kleinstpartei EVP hat den Sprung in die Regierung geschafft und sich gegen SVP-Nationalrätin Sandra Sollberger durchgesetzt.
Das ist schweizweit eine Premiere. Noch nie wurde ein EVP-Politiker in eine Kantonsregierung gewählt. Wie war dies möglich und wer ist der neue Regierungsrat?
Präsenter als seine Konkurrentin
«Es ist alles noch ein bisschen unwirklich. Ich glaube, so richtig realisieren werde ich es erst in den nächsten Tagen», sagte Thomi Jourdan, nachdem seine Wahl in den Regierungsrat unter Dach und Fach war. So müssten sich Sportler nach einem Grosserfolg fühlen, fügte er an, während im Hintergrund Musikerinnen und Musiker Blasinstrumente spielten. Der 48-Jährige hat zu sich eingeladen, um seine Wahl zu feiern.
Es ist alles noch ein bisschen unwirklich.
Jourdan, der selber Gitarre spielt, kandidierte schon einmal für den Regierungsrat. Das war 2013. Er machte ein gutes Resultat, unterlag aber seinem Kontrahenten aus der Mitte. Nun, beim zweiten Mal, schien er noch motivierter und engagierter. 1000 Plakate hat er im ganzen Baselbiet aufgehängt, ein vielfaches mehr als seine grösste Konkurrenz, Sandra Sollberger von der SVP. Sie beschränkte sich auf Plakate mit ihren bürgerlichen Mitstreitern.
Während Sollberger einen sehr zurückhaltenden Wahlkampf hinlegte, tat Jourdan das Gegenteil. Instagram, Tiktok, Facebook, Twitter – Jourdan war omnipräsent mit Videos, Kommentaren und Posts. Seine Kinder hätten ihm dabei geholfen. Jourdan erzählt: «Ich habe das Glück, dass ich zwei Söhne habe, die sehr aktiv sind auf diesen Kanälen.» So hätten sie ihm auch einige Tipps gegeben.
Die Rechnung ist aufgegangen
Doch mit blosser Kommunikation war es noch nicht getan. Jourdan brachte eine grosse Portion Kompromisslosigkeit in den Wahlkampf mit. Der 48-Jährige ist studierter Ökonom und Geschäftsführer eines KMU. Seinen Job hat er gekündigt, als er seine Kandidatur bekanntgab. Er sei «all in» gegangen, sagte er gestern – und diese Rechnung ist aufgegangen.
Trotz seiner Position als Aussenseiter, denn die EVP kommt in Baselland nur auf etwa fünf Prozent Wähleranteil. Das reicht nicht für eine eigene Fraktion im Kantonsparlament, die EVP spannt darum mit den Grünen zusammen.
Brückenbauer und Konsenspolitiker
Das passt auch zu Jourdan – er setzt sich in Muttenz, wo er Gemeinderat ist, für Windräder ein. Er vertritt aber auch die christlichen Werte der EVP, geht unter anderem regelmässig in den Gottesdienst.
Während seine Partei immer wieder aneckt mit konservativen Positionen, wie zum Beispiel der Ablehnung der Ehe für alle, tickt Jourdan hier anders: «Ich habe einen Sohn, der sehr aktiv ist in der queeren Community. Sie können ganz sicher sein: Wenn er irgendwann seinen Partner heiraten möchte, dann werde ich mit ihm zusammen ein richtig gutes Fest feiern und mich für ihn freuen.»
Jourdan, der Brückenbauer und Konsenspolitiker – damit konnte er punkten. Vor allem bei einer Konkurrentin wie Sandra Sollberger von der SVP, die mit ihren rechten Positionen selbst bei bürgerlichen Wählerinnen und Wählern für Kritik sorgte. Und so hat das Baselbiet und auch die Schweiz den ersten Regierungsrat der EVP.