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Reisen ohne Barrieren Das Reise-Geschäft für Menschen mit Behinderung floriert

Das Procap Reisebüro gibt es seit 30 Jahren. Inzwischen übersteigt die Nachfrage das Angebot bei Weitem.

Am Flughafen schnell in den Bus einsteigen und sich dann im Hotelpool eine kurze Abkühlung gönnen – für Menschen ohne Behinderung sind diese Abläufe meist unkompliziert und selbstverständlich. Beeinträchtigte Menschen hingegen treffen hier häufig auf Hindernisse.

«Viele Busse sind zum Beispiel nicht für den Transport von Rollstühlen ausgestattet», erklärt Helena Bigler, Leiterin von Procap Reisen in Olten.

Menschen mit Behinderung treffen heute immer noch vielerorts Barrieren an.
Autor: Helena Bigler Leiterin Procap Reisebüro

Seit 30 Jahren können Menschen mit Behinderungen hier ihre Ferien buchen. «Wir haben Gäste im Rollstuhl, Sehbehinderte oder Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen oder Autismus.»

Ein Pool in der Nähe des Meeres. Neben dem Pool hat es eine Art Kran, der gehbehinderten Menschen den Zugang ermöglicht.
Legende: Im Pool plantschen: Für Menschen im Rollstuhl braucht es dazu spezielle Vorrichtungen. Procap Reisen ist darauf spezialisiert und kennt die Hotels, die dafür ausgestattet sind. ZVG/Procap Reisen

Auch wenn sich viel getan hat: «Menschen mit Behinderung treffen immer noch vielerorts auf Barrieren», betont Bigler. Bei Procap Reisen stellen die Mitarbeitenden sicher, dass die Ferien auf die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden zugeschnitten sind.

Nachfrage übersteigt das Angebot

Neben Individualreisen bietet das Büro vor allem Gruppenreisen an. Über 1000 Personen schicken Bigler und ihr Team pro Jahr in die Ferien. «Wir organisieren jährlich rund 70 Gruppenreisen. Die Nachfrage wäre noch grösser, doch wir stossen an unsere Grenzen.» Alternative Anbieter gibt es kaum.

Denn solche Reisen sind aufwändig. Procap greift dabei auf ein Netzwerk von rund 700 Freiwilligen zurück. «Das sind alles Menschen, welche die Feriengäste begleiten und sie unterstützten. Sei das beim Rollstuhlschieben, beim Duschen oder Zähneputzen.»

Reisen mit Behinderung

Spezielle Kenntnisse brauchen die Freiwilligen laut Bigler nicht. «Sie müssen nur ein grosses Herz haben und den Willen, anderen Menschen ihre Zeit zu schenken.» Ohne diese Hilfe könnten sie die Reisen nicht durchführen.

Preise für Spezialreisen sind diskriminierend

Die Reisen von Procap werden auch von Gönnern und Sponsoren unterstützt. Eigentlich wären solche Ferien nicht teurer als «normale» Reisen, erklärt Helena Bigler. Aber: «Bei Schiffsreisen zum Beispiel muss häufig die Suite gebucht werden, weil es das einzige rollstuhlgängige Zimmer ist. Das ist natürlich diskriminierend.»

Als weiteres Beispiel nennt Bigler den Transfer vom Flughafen zum Hotel: «Dafür müssen extra Busse gebucht werden und das kostet zusätzlich.»

Auch wenn es heute noch viele Hindernisse beim Reisen gibt, sieht Bigler grosse Fortschritte. «Als wir angefangen haben vor 30 Jahren war das noch ganz anders. Damals haben wir hauptsächlich Reisen in den Norden angeboten, weil man da in Sachen Inklusion schon weiter war als hier in der Schweiz.»

Inklusion geht immer weiter

Viel Hoffnung setzt Bigler auch in die Inklusionsinitiative. Die nötigen Unterschriften dazu wurden im September 2024 eingereicht.

Die Inklusionsinitiative

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Die Inklusionsinitiative fordert eine umfassende Gleichstellung in allen Lebensbereichen und auf allen Gesetzesebenen. Der Bundesrat lehnt die Initiative ab, schlägt jedoch ein Massnahmenpaket vor.

Zu den geplanten Massnahmen gehören der Bau von mehr hindernisfreien und preisgünstigen Wohnungen, eine Ausweitung des IV-Assistenzbeitrages sowie die rechtliche Anerkennung der Gebärdensprache, die formal allerdings nicht Teil des Gegenvorschlags ist.

Die Initiantinnen und Initianten könnten trotz des Gegenvorschlags auf eine Volksabstimmung drängen, wenn sie mit dem Massnahmenpaket unzufrieden sind. Das Parlament wird sich in den kommenden Monaten mit den Vorschlägen des Bundesrats befassen. Die Entscheide wurden am Montag der Öffentlichkeit präsentiert.

Inklusionsbedarf sieht Bigler vor allem auch bei Ferien auf dem Schiff. «Wir können zwar problemlos eine Reise nach Japan buchen, aber Flussreisen ab Basel sind bei uns erst seit Kurzem möglich.» Wobei es auch dieses Angebot nur eingeschränkt gibt: «Nur eine Kabine auf dem Schiff ist rollstuhlgängig.» Häufig sei auch das Anlegen ein Problem: «Wenn das Schiff nicht einen Platz in erster Reihe bekommt, müssen die Gäste über andere Schiffe aussteigen und das ist nicht immer gewährleistet.»

Dafür hat Helena Bigler kein Verständnis: «Gerade Schiffsreisen sind bei älteren Menschen beliebt und diese sind ja häufig auf einen Rollator angewiesen.» Sie hofft, dass künftig auch bei Schiffsreisen besser auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen geachtet wird.

Regionaljournal Aargau Solothurn, 25.1.25, 17.30 Uhr ; 

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