Ein mutmasslich enger Austausch zwischen Gesundheitsminister Alain Berset und dem Chef des Ringier-Verlags sowie angeblich systematische Corona-Leaks vom Departement Berset an die Ringier-Zeitung «Blick» – das ist die Ringier-Affäre.
An ihrem Anfang standen E-Mails: Im Sommer 2021 untersuchte Sonderermittler Peter Marti eine Amtsgeheimnisverletzung in einem anderen Fall. Dafür verlangte er bei den Bundesbehörden E-Mails von Alain Bersets damaligem Kommunikationschef Peter Lauener aus einem Zeitraum von sechs Wochen im Jahr 2020. Doch stattdessen übermittelte ihm das zuständige Bundesamt für Informatik und Telekommunikation BIT sämtliche Nachrichten von Lauener über mehrere Jahre.
Unter anderem diese zu viel gelieferten E-Mails führten Sonderermittler Marti erst auf die Spur der Ringier-Affäre. Doch durfte er sie überhaupt verwenden? Offenbar nicht. Das zeigt eine unveröffentlichte, interne Untersuchung des Finanzdepartements, zu dem das Bundesamt für Informatik und Telekommunikation BIT gehört: Das Departement bestätigt SRF schriftlich: «Nach Einschätzung des Untersuchungsbeauftragten wäre eine Aussonderung der herausverlangten Elemente […] geboten gewesen. Das BIT hat mit seiner Herausgabe-Praxis die Regeln des Datenschutzes und damit die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen verletzt.»
Die Verantwortlichen hätten nicht absichtlich Vorschriften verletzt, sondern die Rechtslage falsch eingeschätzt, so das Finanzdepartement. Ab sofort würden schärfere Regeln gelten bei der Herausgabe von E-Mails.
E-Mails dürfen kaum verwendet werden
Was aber heisst der Untersuchungsbericht für das Strafverfahren gegen Alain Bersets früheren Kommunikationschef Peter Lauener? Dort geht es um Corona-Leaks, genauer um Amtsgeheimnisverletzung.
Am Zug ist das Berner Zwangsmassnahmengericht: Es muss entscheiden, ob Sonderermittler Peter Marti die E-Mails verwenden darf. Der Untersuchungsbericht des Finanzdepartements bestätige die eigene Einschätzung, sagt Monika Simmler, Strafrechtsprofessorin an der Universität St. Gallen. «Ich gehe davon aus, dass das Zwangsmassnahmengericht diese Unterlagen versiegeln wird – das heisst, dass sie im Verfahren nicht verwertet werden dürfen», sagt Simmler.
Delikt zu geringfügig
Gleich urteilt Martin Steiger: Der Zürcher Rechtsanwalt ist unter anderem auf Datenschutzrecht spezialisiert. Es sei in der Schweiz nicht generell verboten, rechtswidrig erhobene Beweise zu verwenden. Zulässig sei das allerdings nur, wenn es um Verbrechen gehe – also Straftaten mit einer Strafandrohung von mehr als drei Jahren. Beim Verfahren gegen Peter Lauener sei das nicht der Fall.
Der klare Befund der bundesinternen Untersuchung sei erstaunlich, weil Behörden selten Fehler zugeben würden. Der Befund sei ein weiterer Indikator: «Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die E-Mails nicht verwendet werden dürfen. Als Verteidiger würde ich sagen: Jackpot!» Der angesprochene Verteidiger von Peter Lauener äussert sich auf Anfrage nicht zur neuen Entwicklung.