Darum geht es: Der damalige Kommunikationschef von Bundespräsident Alain Berset, Peter Lauener, hat dem Chef des Verlagshauses Ringier, Marc Walder, während der Pandemie mehrmals vertrauliche Informationen zur Coronapolitik des Bundesrates zugespielt. Das deckte die «Schweiz am Wochenende» auf. Am 14. und am 21. Januar veröffentlichte die Zeitung Auszüge aus der Korrespondenz zwischen Lauener und Walder, die belegen, dass die beiden in regem Austausch standen. Gemäss der «Schweiz am Sonntag» wusste der «Blick», der zu Ringier gehört, während der Pandemie mehrmals vorzeitig, welche Entscheide der Bundesrat fällen würde. Zugleich fiel auf, dass vor allem Gesundheitsminister Alain Berset – allerdings nicht nur – in den reichweitenstarken Ringier-Medien wohlwollend begleitet wurde.
Wieso ist der politische und mediale Aufschrei so gross? Einerseits war «Blick» der Regierung durch die Indiskretionen teilweise einen Schritt voraus. Zum Beispiel bei der Impfstoffbeschaffung: Noch vor der Bundesratssitzung war im «Blick» zu lesen, wie der Impfstoffdeal aussehen sollte. Der Gesamtbundesrat war damit allenfalls quasi vor vollendete Tatsachen gestellt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Regierung damit unter Druck geriet. Die Frage steht im Raum: Hat Bundesrat Alain Berset über die Ringier-Medien seine Macht spielen lassen? Die SVP fordert deshalb den Rücktritt von Bundespräsident Berset (SP).
Andererseits: Solch ein systematischer, heimlicher und exklusiver Informationsaustausch auf höchster Ebene (zwischen Lauener und Walder) wird von Medienwissenschaftlern als gefährlich eingestuft. Können Medienschaffende unter solchen Voraussetzungen wirklich noch kritisch und unabhängig berichten? Werden so die Medien ihrer Rolle als vierte Gewalt im Staat noch gerecht?
Was hat Sonderermittler Peter Marti damit zu tun? Dafür muss man einen Blick auf die sogenannte Krypto-Affäre werfen. Dabei wurden vertrauliche Informationen aus einem Untersuchungsbericht zur Geheimdienstaffäre vor der Publikation den Medien zugespielt. Sonderermittler Peter Marti – eingesetzt von der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) – sollte klären, wer die Informationen aus dem Bericht leakte. Dabei stiess Marti auf einen Austausch zwischen Peter Lauener und Marc Walder während der Corona-Krise. Ein Zufallsfund also.
Das sagt Alain Berset: Bundespräsident Alain Berset habe versichert, von solchen Indiskretionen aus seinem Departement (von Ex-Kommunikationschef Lauener) keine Kenntnisse gehabt zu haben, wie Bundesratssprecher André Simonazzi mitteilte. Berset machte diese Woche zudem bei einem Auftritt beim Westschweizer Sender RTS klar, dass er vor dem Ende der Untersuchung durch die Geschäftsprüfungskommission (GPK) gar nichts sagen werde.
Das sagt Ringier: Rund zwei Wochen nach dem Bekanntwerden möglicher Corona-Leaks hat der Verwaltungsrat von Ringier eine Arbeitsgruppe zur Erarbeitung eines «publizistischen Leitbildes» für die Gruppe eingesetzt. Gleichzeitig stellt er sich «uneingeschränkt» hinter CEO Marc Walder. Die «Schweiz am Wochenende» berichtet aktuell, dass die aufgedeckten angeblichen Kontakte zwischen Lauener und Walder interne Konsequenzen für den Ringier-CEO hätten. So werde der «Blick»-Chefredaktor künftig dem Verleger Michael Ringier berichten. Walder habe somit bei der Blick-Gruppe nichts mehr zu sagen.
So geht es jetzt weiter: Die GPK von National- und Ständerat haben für die Klärung der Indiskretionsvorwürfe im Zusammenhang mit Massnahmen gegen Covid-19 eine sechsköpfige Arbeitsgruppe eingesetzt. In ihr sind alle sechs Parteien mit eigenen Fraktionen im Parlament vertreten. Und zu guter Letzt soll nun ein dritter, von der AB-BA eingesetzter Sonderermittler untersuchen, wer die Corona-Protokolle der «Schweiz am Wochenende» zugespielt hat.