Bundesrat Alain Berset hat das Spiel auf Zeit perfektioniert. Genau wie seine Zurückhaltung bei öffentlichen Aussagen. Er setzt sie immer dann ein, wenn es heikel wird. Egal ob nach der Erpressung durch eine ehemalige Affäre oder nach einem Privatflug über französisches Sperrgebiet: Berset sagt nur das absolute Minimum und wartet ab.
Seine Strategie erwies sich bisher immer als richtig. Diesmal könnte sie scheitern. Mit der Geschäftsprüfungskommission beider Räte (GPK) hat der Bundespräsident ab sofort eine Gegenspielerin aus dem Parlament, die aufs Tempo drückt.
Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier der GPK wollen nicht abwarten, bis die Sonderermittler Resultate zu den mutmasslichen Indiskretionen liefern. Oder bis ein Gericht entscheidet, ob die E-Mails zwischen Bersets Kommunikationschef Peter Lauener und dem Ringier-Chef Marc Walder für die Ermittlung freigegeben werden. Denn dies könnte Monate oder gar Jahre dauern.
Stattdessen will die GPK selbst eine Untersuchung eröffnen. Und verspricht ein Vorgehen, das «so schnell wie möglich und so langsam wie nötig» sein wird.
GPK will nicht nur Departement Berset durchleuchten
Eine Frist für die Untersuchung hat sie nicht festgelegt. Und gebremst werden dürfte die Untersuchung durch die Tatsache, dass die sechsköpfige Arbeitsgruppe der GPK nicht nur das Departement des Innern von Berset und dessen Rolle durchleuchten soll – sondern alle Indiskretionen im Zusammenhang mit Covid-19-Geschäften des Bundesrats.
Allerdings haben fast alle Parteien politisch ein Interesse daran, dass mindestens ein Teil der Resultate noch vor den eidgenössischen Wahlen im Oktober veröffentlicht wird. Zumal im Dezember die Erneuerungswahl des Bundesrats folgt.
Der Druck auf den Innenminister steigt mit der Untersuchung vorerst weiter – auch wenn sich die GPK offiziell nicht nur auf ihn konzentriert. Denn solange keine Fälle aus anderen Departementen auftauchen, wird der Fokus unweigerlich auf Berset liegen. Und auf der Frage, ob er die mutmasslichen, systematischen Indiskretionen in seinem Departement orchestriert hat.
Zeitspiel könnte nicht aufgehen
Vieles dürfte von Berset selbst abhängen. Nur auf Zeit zu spielen, ist diesmal riskant. Schweigt Berset gegenüber der GPK mit Verweis auf das laufende Strafverfahren, wie er dies aktuell in der Öffentlichkeit tut, wird dies unter Parlamentarierinnen und Parlamentariern für Unmut sorgen.
Während Berset in der Bevölkerung gemäss dem letzten SRG-Wahlbarometer weiterhin der beliebteste Bundesrat ist, hat er im Parlament jetzt schon keinen sonderlich guten Stand. Sein mittelmässiges Resultat bei der Wahl zum Bundespräsidenten im Dezember zeugte davon, dass Berset auf bürgerlicher Seite wenig Rückhalt hat.
Nun scheint sich die Skepsis auf Teile der politischen Mitte auszuweiten. Falls sich dies bis im Herbst nicht ändert, muss sich Berset überlegen, ob er das Risiko einer Nicht-Wiederwahl eingehen will. Tritt er erneut an, könnte sein letztes Spiel scheitern – indem seine Zeit im Bundesrat von anderen beendet wird.