Eine 57-jährige Frau aus dem Kanton Bern wird von einem Mann auf Facebook angeschrieben. Dann wechseln sie auf Whatsapp, später auf Mail-Kontakt. Dort erhält die Frau einen langen Liebesbrief.
Die grosse Liebe vortäuschen – das ist die Masche bei Romance Scam. Bei der Frau, die anonym bleiben will, schreibt der Betrüger, er sei als Soldat im Jemen stationiert. Bald kommen die ersten Geldforderungen: Im Jemen werde es immer gefährlicher. Ob sie ihn nicht freikaufen könne? Die Bernerin überweist Geld – wieder und wieder.
Am Schluss nimmt sie einen Kredit auf und überweist insgesamt 11'000 Franken.
Hunderte Fälle – und Millionen ergaunert
Dies sei ein typischer Fall, sagt Patrick Marty, Gruppenchef der Kriminalprävention bei der Kantonspolizei Aargau. Auch wenn es vielen Opfern verdächtig vorkomme, würden sie den Kontakt und damit die Geldüberweisungen nicht stoppen. Der Grund: «Weil sich jemand um sie kümmert», so Marty.
Dabei würden die Opfer massiv unter Druck gesetzt.
Er wusste genau, wie er mich nehmen muss.
Allein im Kanton Aargau gab es letztes Jahr 59 Anzeigen wegen Romance Scam. Die Täter erbeuteten mehr als drei Millionen Franken. Schweizweit waren es in den letzten Jahren jeweils etwa 650 Anzeigen. Viele weitere Fälle kommen wahrscheinlich gar nicht zur Anzeige, weil sich die Opfer schämen.
Kampagne soll weitere Fälle verhindern
Deshalb brauche es diese neue Kampagne der Kriminalprävention, sagt Serdar Günal Rütsche, Leiter des Netzwerks digitale Ermittlungsunterstützung im Bereich Internetkriminalität. Er ist überzeugt: «Es gibt ein grosses Potenzial im Präventionsbereich.»
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Die Botschaft: Liebe kostet nichts. Man soll also nie Geld überweisen. Wenn es nämlich einmal weg ist, ist es schwierig bis unmöglich, das Geld wiederzubekommen.
Die chinesische Mafia mischt mit
Laut Olivier Beaudet-Labrecque, Leiter des Instituts für Wirtschaftskriminalität der Westschweizer Fachhochschule Arc, gibt es zwei Hauptgruppen von Tätern: Die einen kämen aus Westafrika und seien eher lose organisiert. Sie arbeiteten für das eigene Portemonnaie. Zunehmend kämen die Täter zudem aus Südostasien. Diese würden von der chinesischen Mafia kontrolliert.
Die 57-jährige Bernerin hat inzwischen einen kleinen Teil ihres Geldes zurückbekommen. Ihr sei es lang schlecht gegangen, sagt sie. Dank Freunden gehe es ihr heute wieder besser.
Sie habe sich von dem Internet-Betrüger wirklich täuschen lassen: «Er wusste genau, wie er mich nehmen muss.» Der Mann habe bei ihr einen seelischen Schaden hinterlassen.
Später habe sie gesehen, dass er wieder auf Facebook sei, mit einem neuen Namen. Aber mit demselben Bild.