Am Tag zuvor wurde am Säntis die grösste aller Schweizerfahnen montiert. 6400 m² Swissness pur. Sie ist fast dreimal so gross, wie der Bundesplatz in Bern und böte genügend Platz für eine 300-Traktoren-Demo. Hinge die Fahne jeweils nicht an der Nord-, sondern an der Westwand, wäre sie sogar von Biel aus zu sehen. Dort jedoch wehten am 1. August lediglich Apérofahnen.
Multikulturalität ist per Definition das genaue Gegenteil von Einheit.
Die Stadt Biel hat heuer auf eine Beflaggung verzichtet. Trotz Unmut der Bürger verteidigte die SP-Grossrätin Anna Tanner in einem Interview diese Entscheidung und meinte, Biel zeichne sich vor allem durch Multikulturalität aus. Der 1. August stünde in erster Linie für Zusammengehörigkeit. Einheit sei hier wichtiger als nur das Schweizerkreuz. Doch Multikulturalität ist per Definition das genaue Gegenteil von Einheit: «Einheit, Subst. (die), als Ganzes wirkende Geschlossenheit; innere Zusammengehörigkeit; die wirtschaftliche, nationale Einheit eines Volkes.»
Man sollte nicht verunglimpft werden, weil man Farbe bekennt.
Eine Nationalfeier mit Schinkengipfeli, Fendant und Freiheitstrychler anstatt Multikulti? Das hatte Frau Tanner kaum im Sinn bei ihrem Bekenntnis. Sie verwechselte schlicht Einheit mit Gleichheit, also Égalité. Damit kommen wir dem Kern der Schweiz schon näher. Beispiel: Die Zahlen 1 und 3 sind grundverschieden. Jedoch sind 1 + 3 gleich 4. Und genau dieses verbindende Plus prangt mitten auf der Schweizer Flagge. Es müsste gerade einer Sozialdemokratin möglich sein, dies zu erkennen, um so unserer Fahne mindestens visuell etwas Positives abzugewinnen. Man sollte nicht verunglimpft werden, weil man Farbe bekennt.
Wie schwarz jemand ist, will ausgerechnet der Mann bestimmen, der in Realität gar nicht orange ist, sondern kreidebleich.
Apropos Farbe: Mit Kamala Harris steht nun eine 59 Jahre junge, hochgebildete, schwarze Frau zur Wahl, ohne Vorstrafen und dubiose Kontakte zur Pornoindustrie. Doch Donald Trump ist sie nicht schwarz genug, mit einer indischen Mutter. Das ist, als sagte man, Magdalena Martullo Blocher sei nicht reich genug, weil ihre Mutter weniger vermögend sei als ihr Vater.
Wie schwarz jemand ist, will ausgerechnet der Mann bestimmen, der in Realität gar nicht orange ist, sondern kreidebleich. Seine viel zu dick aufgetragene Schminke stammt übrigens von einer Zuger Firma mit dem sinnigen Namen «Bronx Colors», wie das New Yorker Multikulti-Viertel. Hinter solch einer Fassade versteckt sich Trump tagtäglich und verhöhnt eine echte Woman of Color. Ich bin gespannt, für wen die US-Amerikaner am 5. November die Flagge hissen werden: jung oder alt, Juristin oder Delinquent, schwarz oder orange … also fakeweiss?
Sicher ist, dass auch am nächsten 1. August am Säntis die grösste Schweizerfahne hängen wird. Die Stadt- und Gemeinderätinnen von Biel wären ideale Gäste. Ganz im Sinne eines ureidgenössischen, interkantonalen, sprich multikulturellen Dialoges.