Die Hürden für eine Annahme der neuen EU-Verträge sollen nicht zu hoch sein – dieser Ansicht ist die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats. Sie hat sich gegen das obligatorische Referendum ausgesprochen, also gegen das doppelte Mehr von Volk und Ständen. Damit wäre bei der Abstimmung über die Verträge nur das Volksmehr nötig, nicht jedoch das Ständemehr. Inlandredaktor Matthias Strasser zu den wichtigsten Fragen.
Wie wird sich der Entscheid auf die Europa-Debatte auswirken?
Überraschend an diesem Entscheid ist vor allem die Deutlichkeit. Die Kommission hat mit 15 zu zehn Stimmen entschieden – die europakritische SVP hat in der Kommission neun Stimmen. Das heisst, abgesehen von der SVP hat kaum jemand für das doppelte Mehr von Volk und Ständen votiert. Gleichzeitig ist dieser Entscheid der Kommission nicht abschliessend und auch nicht verbindlich. Am Ende werden der Bundesrat und dann das Parlament darüber entscheiden, ob es das doppelte Mehr braucht. Aber die Frage nach dem Ständemehr könnte in einer knappen Abstimmung entscheidend sein dafür, ob die neuen EU-Verträge in Kraft treten oder nicht.
Wird sich die Aussenpolitische Kommission mit ihrer Ansicht durchsetzen?
Wohl nicht in dieser Deutlichkeit. Auch weil am Schluss National- und Ständerat gemeinsam entscheiden. Und der Ständerat dürfte für das Ständemehr etwas offenere Ohren haben als der Nationalrat. Doch die Begründung vom Dienstag ist bemerkenswert. So sei die Kommission nach ihrer Diskussion zum Schluss gekommen, dass die Kriterien für ein sogenanntes obligatorisches Referendum nicht erfüllt seien, wie Kommissionspräsident Laurent Wehrli erklärt. Ein obligatorisches Referendum sei nur bei einem Beitritt zu einer supranationalen Organisation vorgeschrieben – die neuen Verträge mit der EU würden aber keinen EU-Beitritt vorsehen. Die Mehrheit der Kommission sieht offenbar schlicht keinen Spielraum für ein obligatorisches Referendum.
Es gab Fälle, in denen Vorlagen freiwillig Volk und Ständen vorgelegt wurden. Wieso soll es das nicht mehr geben?
Es hat bislang drei solche Fälle gegeben, in denen eine Vorlage freiwillig Volk und Ständen vorgelegt wurde, obschon das nicht vorgeschrieben gewesen wäre. Das wurde jeweils mit der Tragweite dieser Vorlagen begründet. Diese Tragweite sehen manche jetzt auch bei den neuen EU-Verträgen. Aber inzwischen haben Parlament und Stimmvolk es explizit abgelehnt, dass Staatsverträge obligatorisch das Ja von Volk und Ständen brauchen. Daraus schliessen einige Staatsrechtler, dass diese freiwillige Vorlage vor Volk und Ständen heute eben nicht mehr möglich sei. Zu diesem Schluss kam auch das Bundesamt für Justiz in einem Gutachten. Es ist durchaus denkbar, dass der klare Positionsbezug der Aussenpolitischen Kommission dieser Ansicht nun Auftrieb gibt.