Die Schweiz gilt bis zu den 1990er-Jahren als Vollbeschäftigungsinsel. Gerade einmal 0,4 Prozent der Bevölkerung sind 1990 als arbeitslos gemeldet. Doch dann kommen die Krisenjahre. Die Immobilienpreise fallen, Banken geraten in Schieflage, die Wirtschaft wächst nur noch minimal. Dazu kommen neue Abgaben wie etwa die Mehrwertsteuer und das Nein des Schweizer Stimmvolks zum EWR-Beitritt.
Das löst bei Schweizer Unternehmen zusätzlich Ängste aus, sie stellen weniger Personal ein oder bauen Stellen ab: Die Arbeitslosigkeit steigt bis 1994 auf 4,7 Prozent – und ruft die Politiker auf den Plan.
Erfolg für die Gewerkschafter
Bereits 1993 fordert die Ratsrechte um FDP-Nationalrat Heinz Allensbach mehr Freiheiten für Unternehmen und mehr Einsatz von den Arbeitnehmern. «Nur der Wille zur Leistung und die Fähigkeit, Spitzenleistungen zu erbringen, wird unserem Land die beeinträchtigte Konkurrenzfähigkeit wiederherstellen können», fordert er in der Grossen Kammer. Allensbachs Rezept: Weniger Geld für Arbeitslose und eine Erweiterung des Begriffs der sogenannt zumutbaren Arbeit.
Die Linke, mit Unterstützung von CSP-Nationalrat und Gewerkschafter Hugo Fasel, stellt sich dem entgegen: «Die Scharfmacherei, wie sie von Herrn Allensbach vorgetragen wurde, verstehe ich nicht. Mit seiner Liste von Abbaumassnahmen zeigt er einmal mehr, dass er nichts verstanden hat.»
Fasels Rezept: zusätzliche Integrationsbemühungen. Noch im gleichen Jahr reicht er eine Motion ein, in der er eine professionellere Beratung für Arbeitslose fordert. Die Arbeitsämter seien überfordert, es brauche eine gezieltere Betreuung der Jobsuchenden.
Die Kosten-Nutzen-Rechnung
Zwei Jahre später entstehen mit der Revision des Arbeitslosengesetzes die neuen Regionalen Arbeitsvermittlungszentren: Man will weg von der reinen Stempelkontrolle hin zur umfassenden Beratung für Arbeitslose. Zügig – für Schweizer Verhältnisse – nehmen bis Ende 1996 bereits 125 RAV in der ganzen Schweiz den Betrieb auf.
Das erste im Kanton Zürich steht in Uster. Der damalige Leiter Jürg Irman nimmt noch im gleichen Jahr Stellung zur Kritik, die RAV verursachten viel zu hohe Kosten: «Wenn wir die Dauer, in der Geld bezogen wird, im Durchschnitt um sieben Tage reduzieren können, hat sich die Investition bereits gelohnt.»
Um die Jahrtausendwende werden die RAV regelrecht überrannt. Es gibt noch zu wenig Personalberater, deshalb müssen diese wenigen teilweise bis zu 300 Arbeitslose betreuen, 200 mehr als vorgesehen. Die Arbeitsbelastung ist auch heute noch ein Thema. Ende September dieses Jahres betreuten die RAV-Angestellten knapp 143'000 arbeitslose Frauen und Männer.