Skischulleiter Berto Tanner steht in seiner rot-weissen Arbeitsdress am Rand des Skischulgeländes von Savognin. Um ihn herum tummeln sich 450 Kinder, die in dieser Woche alle Skifahren lernen wollen. «Die Piste ist gut eingeschneit, es hat genügend Schnee», sagt er. Einzig im Dorf fehle angesichts des fehlenden Naturschnees ein bisschen die Winterstimmung.
Ohne Kunstschnee ginge nichts
Tatsächlich: Die Strassen im Dorfkern sind schneefrei, an den Hängen um das auf 1200 Meter liegende Savognin herum liegt kaum Schnee. Im Skigebiet und auf dem Übungsgelände der Skischule jedoch ist alles weiss. Dank Kunstschnee ist die Skischule seit Dezember offen.
Trotzdem blieben die Gäste aus. Skischulleiter Tanner rechnet bis Ende Saison mit einem Loch von 15 Prozent in der Skischulkasse. Wegen des fehlenden Schnees und weil die Schweiz für die deutschen Gäste zu teuer geworden sei, fehle es an Arbeit für seine Skilehrer.
«Wir machen das Beste draus. Aber wir können nicht mehr garantieren, dass die Skilehrer 91 Tage lang Arbeit haben», so Tanner. Das sei schlimm für einen Skischulleiter, der gegenüber gutem Personal seine Verantwortung wahrnehmen wolle. Tanner ist seit Jahrzehnten im Geschäft; er war dabei, als Savognin die erste grosse Kunstschneeanlage Europas baute: «Savognin schneit für Sie!» war damals der legendäre Slogan.
Die Sorgen des Hoteliers
Auch Sepp Waldegg hat den Boom damals hautnah miterlebt. Er führt im Dorfzentrum seit 40 Jahren das Dreisternhotel Piz Mitgel. Früher arbeiteten mehr als 20 Angestellte – doch jetzt stecke man in der Krise, sagt er. In diesem Winter habe er nur acht Leute eingestellt. Er habe sie alle im Dezember entlassen müssen und dann auf Abruf wieder eingestellt. Nun hofft er, dass die Arbeitslosenkasse einen Teil der Löhne fürs Personal übernimmt, damit dieses nicht leer ausgehe.
Das Personal muss äusserst flexibel und auf Abruf für die Arbeit bereit stehen. Das sei eine schwierige Situation, seufzt Waldegg, aber es gehe ums Überleben. Denn, auch wenn viele im Dorf dies immer noch nicht laut sagen wollten: Die aktuelle Lage werde viele kleine und mittlere Betriebe in die Knie zwingen.
Verantwortlich dafür macht er neben dem fehlenden Schnee vor allem den starken Franken: «Viele Schweizer gehen ins benachbarte Ausland in die Ferien.» Und für viele Ausländer seien Ferien in der Schweiz inzwischen schlicht zu teuer. Deshalb: «Viele Familienbetriebe werden verschwinden», ist der Savogniner Hotelier überzeugt.
Er selber habe keine Wahl, er müsse einfach irgendwie weitermachen. Denn seine Kinder wollten den Betrieb nicht übernehmen und einen Käufer für sein Lebenswerk gebe es auch nicht.
Wandern statt Skifahren
Es seien tatsächlich schwierige Zeiten, tönt es auch aus dem Tourismusbüro gleich gegenüber. Dort sitzt arbeitet seit einem Jahr die neue Tourismusdirektorin Tanja Amacher. Die Situation mache natürlich auch ihr Bauchweh, sagt sie. So sei im Dezember und Januar rund ein Drittel weniger Gäste ins Tal in die Ferien gekommen, als im Vorjahr.
Die Anbieter müssten aus der Situation lernen und sich auf weitere schneearme Winter einstellen, so die Tourismusdirektorin. Es müsse nicht immer viel Geld in die Hände genommen werden, um den Wintergästen ein gutes Alternativprogramm zu präsentieren, ist sie überzeugt. Gefordert sei die Fantasie.
Bringt das 100-Millionen-Projekt den Aufschwung?
Amacher spielt auf die Wander- und Spazierwege an, welche man in Savognin im aktuellen, schneearmen Winter geöffnet hat. Wandern statt Skifahren also. Doch ob das reicht, um den Rückgang bei den Logiernächten wettzumachen, ist fraglich. Fakt bleibt: Savognin hat seit 1995 rund 30'000 Logiernächte verloren. Dies wiederspiegelt in etwa den gesamtbündnerischen Trend. Der Bergkanton hat in den letzten 20 Jahren 24 Prozent seiner Gäste verloren.
Der Rückgang habe auch mit den veränderten Bedürfnissen der Kunden zu tun. Mittelklassehotels, welche nicht in moderne Infrastrukturen investiert hätten, könnten heute kaum neue Gäste anlocken, sagt Amacher. Und so setzt die Tourismusdirektorin ihre Hoffnungen auf ein neues Hotel mit Hallenbad. Sie ist überzeugt davon, dass der österreichische Bauherr mit der 100-Millionen-Investition dem Dorf den ersehnten Aufschwung bringen wird.