Seit Jahrzehnten nimmt die Schweiz eine Rolle mit den guten Diensten ein – als Vermittlerin in der Diplomatie. Ziel ist eine aktive Friedenspolitik. Experte Sacha Zala erklärt, was man darunter versteht.
SRF News: Was ist konkret mit dem Begriff der guten Dienste gemeint?
Sacha Zala: Diese guten Dienste sind in der Tat nicht so klar. Das zeigt sich schon daran, dass der Begriff offensichtlich ein Helvetismus ist. In anderen Ländern spricht man nicht von guten Diensten, man spricht von den Beiträgen zur Konfliktlösung.
Gute Dienste: Die Schweiz ist das einzige Land, welches einen Oberbegriff für diese Aktivitäten hat.
Das kann die Zurverfügungstellung von Infrastrukturen sein, aber auch die Gastgeberrolle bei internationalen Organisationen und von Mediationen. Die Schweiz ist eigentlich das einzige Land, welche einen Oberbegriff für diese Aktivitäten hat.
Welche Vorteile erhofft sich die Schweiz von den guten Diensten?
Die Begriffsbildung gute Dienste stellt eine verkappte Möglichkeit dar, die sonst sehr konfliktbeladene Frage der Aussenpolitik unter ein positives Banner zu stellen. Mit anderen Worten: Alle aussenpolitischen Tätigkeiten, die die Schweiz unternimmt, laufen quasi unter der Flagge der guten Dienste. Das gibt ihnen eine starke innenpolitische Legitimität.
Diese guten Dienste haben demnach innenpolitische sowie aussenpolitische Funktionen. Wie verknüpft die Schweiz bei solchen Möglichkeiten wie am Mittwoch in Genf ihre Interessen konkret mit diesen guten Diensten?
Tatsächlich schafft es die Schweiz, diese guten Dienste auch für die eigenen Interessen zu verwenden, durchaus im positiven Sinne.
Der schweizerische Botschafter hatte in den 60er-Jahren einen unmittelbaren Zugang zum Departement of State, und sogar zum US-Präsidenten.
Denken wir zunächst an die Vertretung der amerikanischen Interessen auf Kuba und umgekehrt. Die Schweiz hat eine enorme Wichtigkeit für die Amerikaner, weil sie den offenen Kanal mit Fidel Castro darstellt. Das heisst, der schweizerische Botschafter hatte in den 60er-Jahren einen unmittelbaren Zugang zum Departement of State, und sogar zum US-Präsidenten. Die direkten Kanäle, welche die Schweizer Diplomatie auf Kuba hatte, hat die Schweiz zum Beispiel gebraucht, um Fidel Castro dazu zu bewegen, eine nationalisierte Fabrik von Nestlé zu entschädigen.
Zurück zum aktuellen Treffen in Genf: Die Schweiz wird die Anwesenheit zweier Weltmächte auf Schweizer Boden sicherlich für die eigenen Interessen nutzen. Kann dieses Treffen die Beziehungen der Schweiz zu Russland und den USA verbessern?
Sicherlich gibt es unmittelbar einen Goodwill, vorausgesetzt, dass das Treffen gut abläuft und dass es keine Zwischenfälle gibt. Allerdings darf man diesen Goodwill nicht überschätzen. Nehmen wir zum Beispiel die USA. Mit ihnen gibt es meistens ausgezeichnete und sehr gute diplomatische Beziehungen, nicht zuletzt, weil die Schweiz ja die USA verschiedentlich vertreten haben und immer noch vertreten. Aber wir haben auch Konflikte, zum Beispiel mit dem Justizdepartement oder in Handelsfragen. In einem Land wie den USA, wo der Präsident sicherlich eine grosse Machtfülle hat, sind die guten Beziehungen aber keine komplette Versicherung.
Was Russland betrifft, denke ich, dass die Vermittlungstätigkeit der Schweiz im Rahmen der OECD einen Grund darstellt, wieso dieses Treffen in der Schweiz stattfindet. Vergessen wir nicht, dass die Europäische Union durchaus auch Konflikte mit Russland hat und die Schweiz ist in der Mitte zwischen beiden.
Das Gespräch führte Janis Fahrländer.