6907 Personen sitzen derzeit nach aktuellen Zahlen hinter Schweizer Gittern. Das sind etwas weniger als im Rekordjahr 2013, aber über einen längeren Zeitraum steht fest, dass die Anzahl Häftlinge in der Schweiz steigt. Waren vor 30 Jahren noch 68 Menschen auf 100'000 Einwohner inhaftiert, so sind es aktuell 82. Dies, weil die Strafen härter geworden seien, sagt Strafrechtsprofessor Jonas Weber von der Universität Bern.
Er sieht namentlich drei Gründe: «Erstens haben wir Freiheitsstrafen, die tendenziell länger werden. Zweitens haben wir eine längere Dauer im Massnahmenvollzug, das betrifft Verwahrungen und Behandlungsmassnahmen. Und drittens wird die bedingte Entlassung eher zurückhaltender gewährt als noch vor 20 Jahren beispielsweise.»
Behörde gehen keine Risiken ein
Inhaftierte werden demnach später entlassen, weil die Behörden vorsichtiger geworden seien. So beobachtet der Strafrechtsprofessor und Kriminologe «eine Null-Risiko-Mentalität. Die Strafvollzugsbehörde entlässt einen Gefangenen heute nur noch, wenn sie wirklich sicher ist, dass er in der Probezeit nicht rückfällig wird.»
Das kriminalpolitische Klima habe sich verschärft, sagt Weber, der auch für die SP Basel-Stadt im dortigen Bürgergemeinderat politisiert. Die Politik wünsche eine härtere Gangart. «Es gibt ein kriminalpolitisches Streben, strenge Strafen zu fordern. Ich denke, dieses Streben wirkt, es hat offenbar einen Einfluss auf die Gerichte und auch auf die Strafvollzugsbehörden, welche über bedingte Entlassungen entscheiden.»
Mehr ausländische Inhaftierte
Deutlich angestiegen ist die Anzahl ausländischer Inhaftierter. Vor 30 Jahren waren 56 Prozent der Gefängnisinsassen Ausländer, zuletzt waren es bereits 71 Prozent. Weber sagt: «Der Gesetzgeber hat für Schweizer Gefangene vermehrt Alternativen zum Gefängnis eingeführt. Ich denke da vor allem an die gemeinnützige Arbeit oder an den elektronisch überwachten Hausarrest.»
Solche Massnahmen kämen aber nur für Personen mit geringem Fluchtrisiko in Frage, also Personen mit einem gesicherten, legalen Aufenthalt in der Schweiz. Das seien meist Schweizer, aber nicht ausländische Straftäter mit Wohnsitz im Ausland.
Genau der Anteil solcher Kriminaltouristen hat in letzter Zeit stark zugenommen. Übers ganze letzte Jahrzehnt gesehen machen sie bereits die Mehrheit, nämlich 52 Prozent aller Häftlinge aus. Die Gesellschaft sei ganz allgemein mobiler geworden in den letzten 30 Jahren, das gelte auch für Straftäter, so der Strafrechtsprofessor. «Sie können kostengünstiger reisen als früher. So ist es eher möglich, dass sie sich zum Beispiel von osteuropäischen Ländern für ein paar Tage in die Schweiz begeben und dann wieder zurückreisen.»
Am schlimmsten ist es in den USA
Im europäischen Vergleich ist die Schweiz mit ihren 82 Häftlingen auf 100'000 Einwohner übrigens etwa im Mittelfeld. Im weltweiten Vergleich dagegen rangiert die Schweiz im unteren Viertel. Weltweit am meisten Inhaftierte pro Einwohner zählen die USA. Dort beträgt die Rate über 650.