Mario Irminger nimmt kein Blatt vor den Mund: Die Kundinnen und Kunden hätten mit zu hohen Preisen die gescheiterte Strategie der Migros finanziert. «Das kann man sicher so schlussfolgern», sagt der Migros-Chef in der «Samstagsrundschau» von SRF. Die Migros hatte Unternehmen gekauft oder gegründet. Die meisten verkauft oder liquidiert sie jetzt wieder. Für ihre Strategie sei die Migros abgestraft worden: «Es gibt ja einen Grund, weshalb wir in den letzten zehn Jahren über fünf Prozent Marktanteil verloren haben.»
Die Migros habe sehr lange nicht auf veränderte Kundenbedürfnisse reagiert. Irminger meint damit tiefere Preise und den Trend zu kleineren Läden. Seine Versäumnisse will der Orange Riese nun nachholen; Anfang Woche hatte die Migros angekündigt, die Preise für rund 1000 Produkte des täglichen Bedarfs auf das Niveau von Aldi, Lidl und Denner zu senken.
Panne beim Start der Tiefpreis-Kampagne
Die Preisoffensive startete diese Woche mit 60 Artikeln aus dem Gemüse- und Fruchtsortiment – allerdings verlief sie nicht ganz reibungslos: So kostete der Nüsslisalat online tagelang mehr als bei der Konkurrenz. Erst nach Aufzeichnung der «Samstagsrundschau» korrigierte die Migros den Preis nach unten. Für die gesamten 1000 Preissenkungen lässt sich die Migros Zeit: Sie erfolgen schrittweise bis im nächsten Jahr. Erstmals beziffert Irminger den Spareffekt: «Wir rechnen damit, dass die Kunden in der Gesamtsumme für die gleiche Menge 350 bis 370 Millionen Franken pro Jahr günstiger einkaufen.»
Rabatt von gerade einmal drei Prozent
Gemessen am gesamten Umsatz der Supermärkte ergibt dies einen Rabatt von lediglich rund drei Prozent. Also bloss ein Marketing-Gag? Nein, antwortet der Migros-Chef: «Wir reden über Preissenkungen, die sich über die nächsten vier bis fünf Jahre um bis zu zwei Milliarden auf unseren Umsatz auswirken.»
Die Preissenkung hat bei Bauern Verunsicherung ausgelöst. Zwar hatte die Migros angekündigt, die Bauern würden trotz tieferer Preise gleich viel erhalten. Doch gilt das Versprechen auch, wenn die Preisspirale weiter nach unten dreht? «Wir ziehen das durch – das ist mein Versprechen», versichert Irminger. Den Druck erhöhen hingegen will er auf internationale Lieferanten.
«Wir wollen das Volk nicht erziehen»
Die Radikalkur der Migros hatte Anfang Jahr begonnen, als diese den Verkauf der Sport-, Elektronik-, Garten- und Möbelfachmärkte sowie den Abbau von 1500 Stellen ankündigte. Der Migros wurde vorgeworfen, ihre «DNA» zu verraten. Am Hauptsitz in Zürich wurde sogar Schwangeren und Frauen im Mutterschaftsurlaub gekündigt. Mario Irminger gesteht Fehler ein: «Das waren Einzelfälle, die unglücklich verlaufen sind.»
Zur «Migros-DNA» gehören auch Nachhaltigkeit und Tierwohl. Hier bestätigt Irminger Abstriche – konkret hat die Migros das Ziel aufgegeben, bei Importfleisch gleiche Mindeststandards zu garantieren wie bei Schweizer Fleisch. Und importierte Bio-Artikel werden entgegen der ursprünglichen Planung nun doch nicht den strengeren Bio-Suisse-Richtlinien unterstellt.
Der Migros-Chef lässt durchblicken: Die Sache wäre zu teuer gekommen. Migros informiere die Kundschaft über Ökologie und Nachhaltigkeit im Sinne von Aufklärung, aber: «Wir wollen das Volk nicht erziehen. Wir verkaufen das, was nachgefragt ist.»