Der Nationalrat hat am Nachmittag die Beratungen zum neuen Nachrichtendienstgesetz aufgenommen. Zur Debatte steht, ob der Nachrichtendienst mehr Kompetenzen erhält. Mit dem neuen Gesetz dürfte er Telefone abhören, Computer hacken und Datenströme im Internet scannen.
Befürworter und Gegner präsentierten in der Eintretensdebatte ihre stichhaltigsten Argumente. Die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats (SIK) empfahl, das neue Gesetz zur Verabschiedung. Und dies mit 14 zu 2 Stimmen bei 3 Enthaltungen.
«Welt verändert sich ständig»
Für die SIK sprach Roland F. Borer (SVP/SO). Er erklärte vor der Grossen Kammer, dass die Kommission zahlreiche Experten befragt habe, welche sich grösstenteils positiv äusserten.
Es werde auf die Wahrung der Grundrechte sowie die individuelle Freiheit geachtet, betont Borer. Eine neue Fichierung der Bevölkerung hält er für ausgeschlossen. Man spreche über rund zehn Fälle pro Jahr, die mit dem neuen Gesetz beurteilt werden müssten. Weniger kulant sehen das die Grünen.
Daniel Vischer (Grüne/ZH) äusserte sich als erster gegen das neue Nachrichtendienstgesetz. «Wir sind konfrontiert mit einem Lauschangriff.» Wohnungen könnten verwanzt werden, Telefone abgehört.
Auch das Eindringen in Computersysteme werde möglich – und das bei Bürgern, gegen die in keiner Weise ein Verdacht auf eine strafbare Handlung vorliege.
«Hier wird die Präventivermittlung in einem unerträglichen Sinne ausgebaut.» Noch vor sechs Jahren habe es ein klares Nein aus dem Parlament gegeben gegen weniger weit gehende Massnahmen. Inzwischen sei nichts passiert, was nicht damals schon aktuell war.
Hohe Hürden gegen die Bespitzelung
Dem widerspricht Urs Schläfli (CVP/SO). Für ihn verändert sich die Welt ständig. Technologien, die für einen friedlichen Zweck gedacht sind, können für terroristische Akte genutzt werden. Nach Meinung Schläflis ist der Nachrichtendienst keine Strafverfolgungsbehörde.
Dennoch soll er Nachrichten beschaffen, welche für die Sicherheit der Schweiz relevant sind. Damit keine Privathaushalte ausspioniert würden, so Schläfli, seien hohe Hürden eingebaut – inklusive eines dreistufigen Genehmigungsverfahrens.
SP will offen diskutieren – und fordert Verbesserungen
Auch Ida Glanzmann-Hunkeler (CVP/LU) glaubt nicht, dass wir alle bald überwacht werden. Sie befürchtet jedoch, dass die Schweiz zu einer Drehscheibe krimineller und terroristischer Organisationen werden könnte, wenn das Gesetz bleibt, wie es ist.
Ein Teil der SP will dem neuen Gesetz ebenfalls zustimmen. Edith Graf-Litscher (SP/TG) erklärt vor den Räten, ihre Partei beurteile das Gesetz sehr kritisch. Die Kompetenzen des Nachrichtendienstes sollen ihrer Meinung nach nicht derart stark ausgeweitet werden, dass der Persönlichkeitsschutz aufgekündigt werden muss. Deshalb will die SP sich den Diskussionen nicht verschliessen, sondern vielmehr das Gesetz mit Anträgen verbessern.
Zuerst über Fernmeldeverkehr reden
Gegen die präventive Überwachung stellen sich einzig die Grünen. Sie beantragen, auf das Gesetz gar nicht erst einzutreten. In einem Rechtsstaat sei es Sache der Bundesanwaltschaft und der Polizei, Verdächtige zu überwachen, argumentiert die Bundeshausfraktion der Partei. Es brauche keine «Geheimpolizei», die ohne Verdacht überwache.
Die Beratung der entsprechenden Gesetzesartikel sei zu sistieren, bis das Parlament das revidierte Gesetz zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) zu Ende beraten hat.
Der Nationalrat befürwortet das neue Nachrichtendienstgesetz im Grundsatz. Er ist mit 154 zu 33 Stimmen auf die Vorlage eingetreten. Die Diskussion wird voraussichtlich noch fast die ganze Dienstags-Session andauern.