Die Bewohnerinnen und Bewohner des evakuierten Bündner Bergdorfs Brienz/Brinzauls durften am Samstag während zwei Stunden in ihre Häuser zurück. Die momentane Gefahrenbeurteilung lasse dies zu, hatten die Gemeindebehörden Anfang Woche erklärt. Maximal zwei registrierte Personen pro Haushalt durften in ein Haus. Als Sicherheitsmassnahme mussten sie sich zuvor anmelden und ein Mobiltelefon auf sich tragen.
Die kurze Rückkehr ging auf einen Wunsch der Betroffenen zurück, schrieb die Gemeinde Albula. Diese hätten die Behörden gebeten, das evakuierte Dorf besuchen zu können, um dort wichtige Aufgaben in ihren Häusern zu erledigen, neue Schäden zu überprüfen oder wichtige Dinge abzuholen.
Nach einer letzten Beurteilung vor Ort hatten die Experten des Frühwarndienstes am frühen Morgen grünes Licht für den stundenweisen Zutritt zum Dorf gegeben. «Die Schutthalde oben hat sich in den vergangenen Wochen tendenziell etwas beruhigt und die Niederschläge der letzten beiden Tage haben nicht zu einer relevanten Beschleunigung geführt», sagte Stefan Schneider, Leiter des Frühwarndienstes gegenüber SRF.
Risse in den Wänden und defekte Heizung
Eine der Familien, die in ihr Haus zurück durften, waren die Müllers. Sie leben seit nunmehr 13 Wochen in der benachbarten Dorf Lantsch/Lenz. Auf den Besuch haben sie sich minuziös vorbereitet, damit während des kurzen Zeitfensters nichts vergessen geht. «Es wird bald Sommer und wir haben nur Sachen für die Wintersaison dabei. Darum wollen wir Velos und Trottinette für die Kinder holen», erklärt Andrea Müller gegenüber SRF.
-
Bild 1 von 3. Einlasskontrolle beim Checkpoint. Zutritt ins Dorf haben maximal zwei registrierte Personen pro Haushalt. Bildquelle: SRF.
-
Bild 2 von 3. Die Familie Müller auf dem Weg zum Hausbesuch. Medien waren beim Hausbesuch keine zugelassen. Bildquelle: SRF.
-
Bild 3 von 3. Die Aufnahmen der Familie aus dem Inneren des Hauses zeigen Risse in den Wänden, die in den vergangenen Wochen grösser geworden seien. Bildquelle: SRF.
Ein erster Augenschein im Haus zeigte: Die Risse in den Hauswänden sind grösser geworden. «Und auch die Heizung ist ausgestiegen», berichtet Andrea Müller. Es habe sich angefühlt wie ein Geisterhaus. Nach zwei Stunden mussten die Müllers das Dorf wieder verlassen und sich abmelden.
Die Gemeinde Albula hat nach den Besuchsfenstern eine «sehr positive Bilanz» gezogen. «Es ist niemand mit einem Transporter gekommen», sagte der Kommunikationsbeauftragte der Gemeinde Albula, Christian Gartmann auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Ausser einem Velo seien vorwiegend Akten und andere Kleinigkeiten aus den Häusern geholt worden.
Zukunft des Dorfs bleibt ungewiss
Die Situation in Brienz bleibe hochdynamisch und weiterhin sehr gefährlich, so Geologe Schneider gegenüber SRF. Sorgen macht weiterhin der obere Teil der Schutthalde, die mit bis zu 13 Zentimeter pro Tag rutscht – bei Regen sogar schneller. Dennoch war der kurzfristige Zugang möglich, da es in den letzten Wochen überwiegend trocken geblieben sei.
«Wir sehen auf unseren Messgeräten, dass sich kein grösserer Felssturz oben bereit macht. Wir müssen die Situation dennoch engmaschig beobachten», sagt Schneider. Während der Besuchszeiten hätten die Verantwortlichen denn auch ein Sicherheitsdispositiv aufgestellt, um die Messdaten fortlaufend zu überwachen.
Wie lange die Evakuierung von Brienz andauert, bleibt weiter ungewiss. Klar ist, dass Regen und die kommende Schneeschmelze einen Einfluss haben werden. Eine Aufhebung der Evakuierung sei zurzeit nicht möglich, hatte die Gemeinde Anfang Woche erklärt. Die Gesteinsmassen seien nach wie vor nicht abgerutscht, könnten sich aber bei starken Niederschlägen beschleunigen. Ein Aufenthalt im Dorf sei dann lebensgefährlich.