Häftlinge sitzen im Gefängnis Strafen ab, die ein Gericht über sie verhängt hat. 23 Jahre lang hat Marianne Jeger als Oberrichterin im Kanton Solothurn über solche Strafen entschieden. Seit 2019 nun ist sie Ombudsfrau, die sich für die Anliegen der Häftlinge einsetzt. Besseres Essen, mehr Zeit am Computer, weniger Arbeitseinsätze. Das sei ein Perspektivenwechsel, kein Seitenwechsel, findet die pensionierte Richterin.
Vorher habe ich Urteile gefällt, jetzt führe ich Gespräche mit Untersuchungshäftlingen.
Die Gespräche mit den Insassen sind vertraulich und finden zu dritt statt, zwei Personen der Justizvollzugskommission treffen sich mit einem Insassen. Diese melden selber, ob sie ein Gespräch wünschen. Ein Treffen dauert rund eine halbe Stunde. «Es geht nicht darum, warum sie in der Anstalt sind. Es geht um die Lebensumstände, die dort herrschen», erzählt Marianne Jeger.
Die 68-Jährige sieht in dieser Tätigkeit einen Wechsel des Blickwinkels. Gleichwohl sei es nicht eine komplett andere Arbeit wie als Richterin. «Die Arbeit hat auch mit Justiz zu tun, das Umfeld bleibt ähnlich», sagt sie auf die Frage nach der Motivation für ihre Tätigkeit in der Justizvollzugskommission.
Jeger und die anderen Kommissionsmitglieder prüfen und besprechen die Anliegen der Insassen mit der Anstaltsleitung und dem Amt für Justizvollzug. Man werte nicht, sondern höre zu, sagt Marianne Jeger.
Es geht ums Essen, das zu wenig oder nicht ausgewogen ist, zum Beispiel.
Konkret gehe es um vor allem ums Essen, die Ausgewogenheit und die Portionsgrösse. Aber auch Themen wie medizinische Versorgung, Computerzeit, das Besuchsregime, die Einkaufsmöglichkeiten in der Anstalt oder auch den Arbeitseinsatz und die Freizeit werden diskutiert.
Eindrücke aus der Justizvollzugsanstalt Deitingen
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Bild 1 von 3. Die Justizvollzugsanstalt Deitingen hat 66 Plätze für den geschlossenen Massnahmenvollzug und 27 Plätze für den geschlossenen Strafvollzug. Die JVA ist eine Anstalt des Strafvollzugskonkordats Nordwest- und Innerschweiz. Bildquelle: Keystone/Peter Klaunzer.
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Bild 2 von 3. Tische und Stühle stehen in einem vergitterten Aussen-Aufenthaltsraum in der Justizvollzugsanstalt in Deitingen bei Solothurn. Bildquelle: Keystone/Peter Klaunzer.
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Bild 3 von 3. Eine Zelle in der JVA Deitingen. Wenn Häftlinge über die Bedingungen im Gefängnis sprechen möchten, melden sie sich für ein Gespräch mit der Ombudsperson. Bildquelle: SRF.
Hat die ehemalige Oberrichterin die Fronten gewechselt? Nein, findet sie: «Es ist ein Perspektivenwechsel», sagt Jeger. «Ich habe während meiner Richtertätigkeit Einblick in viele Straffälle gehabt. Jetzt sehe ich, was es bedeutet, wenn die Untersuchungshäftlinge und die Verurteilten 24 Stunden am Tag in einer Anstalt sind und was sie für Anliegen haben.»
Die Chance ist sehr klein, dass ich die Häftlinge damals verurteilt habe.
Sie selber treffe nicht auf Häftlinge, die sie selber verurteilt habe. Im Vorfeld der Gespräche erhalte man als Ombudsfrau eine Liste mit den Gesprächspartnern im Gefängnis. «Gerade in der Justizvollzugsanstalt Deitingen sitzen auch viele, die nicht aus dem Kanton Solothurn stammen. Die Chance ist sehr klein, dass ich sie damals verurteilt habe», weiss Jeger aus Erfahrung.
Weniger Arbeitseinsätze für Pensionierte
Es gebe schon Gefängnisse, die eng seien oder kleine Spazierhöfe hätten. Oft seien die Gegebenheiten kaum veränderbar oder Neubauprojekte erst in Planung, weiss Jeger. Sie und ihre Kolleginnen und Kollegen hätten schon mehrfach Veränderungen erreicht.
Zum Beispiel hat man die Arbeitszeiten von Insassen im Pensionsalter flexibilisiert. «Wenn jemand über 65 Jahre alt ist, muss er nicht mehr so viele Arbeitseinsätze in den betriebseigenen Werkstätten leisten.»
Die, die zufrieden sind, kommen nicht zu mir als Ombudsfrau.
Und es gebe auch Häftlinge, die mit den Zuständen im betreffenden Gefängnis sehr zufrieden seien. Diese wenden sich selten an die Ombudsfrau, gibt Jeger zu bedenken.