Bereits letzten Donnerstag hatte sich der Nationalrat – ganz auf der Linie des Bundesrats – gegen eine Taskforce zur Aufspürung russischer Oligarchen-Gelder in der Schweiz ausgesprochen. Anders sieht es nun der Ständerat. Er will den Vorschlag vertieft prüfen und hat ihn am Dienstag an die Kommissionen überwiesen. Zum Missfallen von Bundesrat Guy Parmelin, wie er im Interview erklärt.
SRF News: Herr Bundesrat, Mitte Mai waren in der Schweiz 6.5 Milliarden Franken Vermögen von russischen Oligarchen gesperrt. Wie viel sind es jetzt?
Guy Parmelin: Das ändert sich immer wieder. Manchmal muss man nach einer Untersuchung gewisse Vermögen wieder freigeben, und es kommen auch immer wieder neue Sanktionen und neue Meldungen dazu.
Die 150 bis 200 Milliarden betreffen alle Vermögen von russischen Personen und Firmen; auch von jenen, die nicht auf der Sanktionsliste sind.
Sie wissen nicht, wie viel es genau ist?
Nein. Aber das Staatssekretariat für WirtschaftSeco macht regelmässig einen Lagebericht dazu.
Gemäss der Bankiervereinigung sind etwa 200 Milliarden an russischen Vermögen in der Schweiz. Da sind die 6.5 Milliarden nicht gerade viel.
Diese 150 bis 200 Milliarden betreffen alle Vermögen von russischen Personen und Firmen; auch von jenen, die nicht auf der Sanktionsliste sind.
Am Dienstag ging es im Ständerat um eine Taskforce zur Aufspürung von russischen Oligarchengeldern. Sie sind dagegen. Warum?
Wir finden, dass die interdepartementale Arbeitsgruppe gut funktioniert. Wir arbeiten mit der Bundesanwaltschaft, der Finanzmarktaufsicht Finma, dem Staatssekretariat für internationale Finanzfragen, dem Seco und weiteren Ämtern beim Bund zusammen. Eine solche Taskforce würde die Situation nicht verbessern.
Wie kann es sein, dass der russische Oligarch Andrei Melnitschenko kurz vor der Sanktionierung sein Vermögen auf seine Ehefrau überschreibt, und zwar mit dem Segen und mit der Hilfe des Seco aus Ihrem Departement?
Das ist falsch. Herr Melnitschenko hat das Vermögen transferiert, bevor er von der EU auf die Sanktionsliste gesetzt wurde.
Wir übernehmen die Sanktionen der EU gemäss dem Embargo-Gesetz, wir können keine eigenen Sanktionen ergreifen.
Eben: Er hat gewusst, dass er bald auf die Sanktionsliste kommt und hat sein Vermögen kurzerhand zur Ehefrau transferiert.
Wir übernehmen die Sanktionen der EU gemäss dem Embargo-Gesetz, wir können keine eigenen Sanktionen ergreifen. Frau Melnitschenko war nicht sanktioniert, als wir die Entscheidung getroffen haben. Man kann zusätzlich noch erwähnen, dass Herr und Frau Melnitschenko in den USA bis heute nicht sanktioniert sind. Wir wenden nur das Recht an – nicht mehr und nicht weniger.
Am letzten Donnerstag hat der Nationalrat entschieden, dass die Schweiz auch eigenständig Sanktionen beschliessen kann. Sie waren dagegen. Warum?
Weil Sanktionen nur wirksam sind, wenn sie global – zusammen mit vielen anderen Ländern – getroffen werden. Bei eigenen Sanktionen müssen sie die Kriterien selber definieren und haben das Risiko, dass sie nicht wirken. Auf internationaler Ebene sieht man, dass es immer globale Sanktionen sind, welche wirksam sind.
Warum soll die Schweiz, als Depositärstaat der Genfer Konvention des Völkerrechts, als Vertreterin auch der Menschenrechte, in diesem Bereich nicht eigenständige Sanktionen verfügen können?
Das Gesetz ist nun mal so. Die Politik kann immer etwas ändern, das hat der Nationalrat nun gemacht. Aber jetzt muss noch der Ständerat entscheiden. Ich begrüsse, dass der Ständerat die Diskussion vertiefen will. Denn es gibt durchaus auch Risiken: Dass die Sanktionen nicht wirken oder dass sie nicht zielgerecht sind.
Das Gespräch führte Urs Leuthard.