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Politologe Michael Hermann: «Alain Berset hat während der Pandemie Eindruck gemacht»
Aus News-Clip vom 05.07.2023.
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SRG-Wahlbarometer Bundesratsranking: Alain Berset nimmt den Hut – mit Bestnoten

Einflussreich und sympathisch: Der scheidende Bundesrat ist bei der Bevölkerung hoch im Kurs. Andere haben Aufholbedarf.

Am 22. Oktober werden in der Schweiz National- und Ständerat neu besetzt. Die Bundesräte werden den Ausgang der Wahlen mit Argusaugen verfolgen: Denn die eidgenössischen Wahlen sind der Prolog für die eigene Schicksalswahl.

Das aktuelle Bundesratsfoto
Legende: Mit Ausnahme des abtretenden Alain Berset wollen zur neuen Legislatur alle bisherigen Regierungsmitglieder vom Parlament wiedergewählt werden: An der Wintersession kommt es am 13. Dezember zum Showdown. Keystone/Bundeskanzlei Matthieu Gafsou

Erleidet die eigene Partei bei den Wahlen im Herbst eine empfindliche Niederlage, könnte das für so manches Regierungsmitglied unangenehm werden. Werbung in eigener Sache kann eine positive Wahrnehmung in der Schweizer Stimmbevölkerung liefern. Das SRG-Wahlbarometer hat eben diese erfasst.

Alain Berset: Abschied nach Mass?

Keine Sorgen über eine Wiederwahl muss sich Alain Berset machen. Denn nach 12 Jahren und drei Legislaturen verlässt der «ewige Innenminister» den Bundesrat. Bei der Mehrheit der Bevölkerung geniesst er hohes Ansehen: Er gilt als einflussreichstes Mitglied im Gremium, und auch im Sympathieranking ist er an zweiter Stelle. Allerdings finden auch 17 Prozent der Befragten den SP-Bundesrat unsympathisch.

Alain Berset am Rednerpult des Nationalrat
Legende: Der Befragungszeitraum des Wahlbarometers liegt noch vor Alain Bersets Rücktrittsankündigung. Wie und ob sich diese auf seinen wahrgenommenen Einfluss und Sympathiewerte ausgewirkt hat, bleibt offen. Keystone/Anthony Anex

In den letzten Jahren machte Berset auch Negativschlagzeilen: ein Erpressungsversuch durch eine Geliebte, ein Irrflug in Frankreich, mutmassliche Indiskretionen durch seinen langjährigen Kommunikationschef. Zieht all das spurlos am Magistraten vorbei?

«Berset hat während der Corona-Pandemie Eindruck gemacht», erklärt Politologe Michael Hermann von der Forschungsstelle Sotomo, welche die Wahlbarometer-Umfrage im Auftrag der SRG durchführte. «Die Menschen schätzen ihn, weil er klar kommuniziert. Dann verzeiht man solche Skandale und Skandälchen auch.»

Viola Amherd: die Landesmutter

Jovial, direkt, volksnah: Die erste Frau an der Spitze des Verteidigungsdepartements kommt beim Schweizer Stimmvolk gut an. «Die Landesmutter aus dem Wallis verzeichnet die höchsten Sympathiewerte aller Bundesräte», sagt Politologin Sarah Bütikofer von Sotomo.

Amherd posiert mit den Judoka Nils Stump, Weltmeister 2023. und Daniel Eich, Bronzemedaillengewinner an der EM 2023.
Legende: Mitte-Bundesrätin Viola Amherd konnte ihre Stellung in den letzten zwei Jahren festigen – obwohl sie nach den Departementsrochaden im Bundesrat im eher unpopulären VBS geblieben ist. Keystone/Alessandro della Valle

Zum Kerngeschäft im VBS gehört es, dem Volk teure Rüstungsprojekte schmackhaft zu machen – keine allzu dankbare Aufgabe. Mit dem Krieg in der Ukraine bekam Amherd aber eine sichtbarere Rolle, auch auf aussenpolitischem Parkett. Allzu grossen Einfluss im Bundesratsgremium schreiben ihr die Befragten trotzdem nicht zu.

Elisabeth Baume-Schneider: sympathisch, aber...

Neu im Bundesrat, aber noch nicht ganz im Zentrum der Macht angekommen: Das neue Schlusslicht im Einflussranking bildet Elisabeth Baume-Schneider. Im Dezember letzten Jahres gelang der bis dahin wenig bekannten SP-Ständerätin der Sprung in den Bundesrat – ein Überraschungscoup im Duell mit Kronfavoritin Eva Herzog.

Elisabeth Baume-Schneider nach 100 Tagen im Bundesrat
Legende: Die im Dezember 2022 neugewählte SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider liegt an dritter Stelle im Sympathieranking. Bei ihr klaffen der wahrgenommene (geringe) Einfluss und die Sympathie besonders weit auseinander. Keystone/Michael Buholzer

«Sie war nicht das typische Schwergewicht, das dann auch in den Bundesrat gewählt wird», führt Hermann aus. «Das hängt ihr noch immer in der Wahrnehmung der Bevölkerung an.» Kommt hinzu: Baume-Schneider kommt aus dem Jura, einer Randregion. Und im Justizdepartment mit dem Kern- und Reizthema Asyl und Migration ist es schwierig, zu punkten.

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Michael Hermann: «Nicht das typische Schwergewicht, das in den Bundesrat gewählt wird»
Aus News-Clip vom 05.07.2023.
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Ignazio Cassis: Aussenminister im Umfragetief

Wie bereits in den früheren Befragungen finden Ignazio Cassis sowohl am wenigsten Befragte sympathisch wie auch am meisten unsympathisch. «Cassis konnte sich von seinem extremen Tief zwar ein bisschen erholen», schätzt Politologin Bütikofer. Seine zur Halbzeit der Legislaturperiode gewonnenen Sympathien hat er aber wieder vollständig eingebüsst.

Ignazio Cassis
Legende: Aussenminister unter Druck? Laut dem SRG-Wahlbarometer ist die Mitte der FDP dicht auf den Fersen. Zieht sie am 22. Oktober vorbei, könnte es unter Umständen eng werden für den zweiten FDP-Sitz im Bundesrat. Keystone/Salvatore di Nolfi

Nachhaltigen Rückenwind hat ihm sein Präsidialjahr 2022 nicht gegeben. Im Einflussranking ist der Tessiner FDP-Bundesrat auf dem vorletzten Platz. Cassis hat bereits angekündigt, sich an der Wintersession zur Wiederwahl zu stellen.

Albert Rösti: der Energieminister

Im Gegensatz zu Baume-Schneider konnte sich Albert Rösti in seinem neuen Amt rasch profilieren – zumindest in der Wahrnehmung der Bevölkerung: Er gilt als Bundesrat mit dem drittgrössten Einfluss. Geholfen hat dem Berner SVP-Bundesrat und ehemaligen Parteipräsidenten dabei zweifelsfrei sein Bekanntheitsgrad.

Albert Rösti
Legende: Bei den Sympathiewerten muss sich Albert Rösti allerdings hinter Elisabeth Baume-Schneider anstellen, die gleichentags wie er in den Bundesrat gewählt wurde. Keystone/Urs Flüeler

Auffallend: «In den Medien wird Rösti meist als Energieminister bezeichnet», sagt Bütikofer. «Dies im Gegensatz zu seiner Vorgängerin Simonetta Sommaruga, die in der Berichterstattung und Wahrnehmung die Umweltministerin war.» Im Juni konnte Bundesrat Rösti mit dem Klimaschutzgesetz einen ersten Abstimmungssieg verbuchen – auch wenn seine eigene Partei das «Stromfresser-Gesetz» bekämpfte.

Karin Keller-Sutter: mächtig, aber wenig volksnah

Ihr Wechsel vom Justiz- ins Finanzdepartement konfrontierte Karin Keller-Sutter mit dem Niedergang einer helvetischen Institution. Mit heiligem Ernst moderierte die FDP-Bundesrätin das CS-Debakel. Von ihrem Tief in der Pandemie hat sich Keller-Sutter erholt. Die mediale Dauerpräsenz und der Departementswechsel haben sich auch auf ihren wahrgenommenen Einfluss ausgewirkt: Sie ist Alain Berset dicht auf den Fersen.

Keller-Sutter an einer Medienkonferenz in Bern
Legende: Karin Keller-Sutter gilt als mächtig, landet aber im Sympathie-Rating nur auf dem fünften Platz. Knapp dreissig Prozent der Befragten halten die Finanzministerin für (eher) unsympathisch – das sind noch mehr als bei Alain Berset. Keystone/Anthony Anex

Für Politologe Hermann ist die St. Gallerin das Paradebeispiel dafür, dass Sympathie und Einfluss nicht gleichbedeutend sind: «Wie Berset wird Keller-Sutter als einflussreich angeschaut. Von ihrer Art der Kommunikation her ist sie aber kühler und reservierter.» Das spürt auch die Bevölkerung – und reagiert ihrerseits leicht unterkühlt.  

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Michael Hermann: «Sympathie und Einfluss wird nicht gleich bewertet»
Aus News-Clip vom 05.07.2023.
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Guy Parmelin: der zweite SVP-Bundesrat

Wirtschaftsminister Guy Parmelin stand im Bundesrat lange im Schatten seines Parteikollegen Ueli Maurer, der Ende letzten Jahres den Bundesrat verlassen hat. Nun ist es Albert Rösti, dem in der Bevölkerung ungleich grösserer Einfluss zugeschrieben wird. Die Freude am Regieren ist ihm aber nicht abhanden gekommen: Am Tag nach Alain Bersets Rücktritt liess er via Twitter verlauten, dass er Ende Jahr zur Wiederwahl antritt.

Guy Parmelin
Legende: Der Waadtländer Bundesrat Guy Parmelin kommt auf etwa gleich hohe Sympathie- wie Antipathiewerte. Zu den kontroverseren Figuren im Bundesrat gehört er aber nicht. Keystone/ANTHONY ANEX

Als Höhepunkt von Parmelins bald acht Jahren im Bundesrat gilt sein Präsidialjahr 2021. «Damals erlebte er ein Hoch, doch seither ist sein wahrgenommener Einfluss wieder abgeflaut», schliesst Bütikofer.

Datenerhebung und Stichprobenfehler zur Umfrage

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Die Umfrage für den Wahlbarometer hat das Forschungsinstitut Sotomo im Auftrag der SRG SSR durchgeführt. Die Datenerhebung fand zwischen dem 8. und 22. Juni 2023 statt. Die Befragung erfolgte online: Die Teilnehmenden wurden einerseits über die Webportale der SRG, andererseits via Online-Panel von Sotomo rekrutiert.

Nach der Bereinigung und Kontrolle der Daten konnten die Angaben von 25‘216 Wahlberechtigten für die Auswertung verwendet werden. Die Aufteilung der Befragten insgesamt auf die Sprachregionen ist wie folgt: Deutschschweiz 20‘687, französische Schweiz 3878, italienische Schweiz 651.

Gewichtung der Stichprobe

Da sich die Teilnehmenden der Umfrage selber rekrutieren (sogenanntes Opt-in-Verfahren), ist die Zusammensetzung der Stichprobe nicht repräsentativ für die Grundgesamtheit. So nehmen typischerweise mehr Männer als Frauen an politischen Umfragen teil. Deshalb gewichtet Sotomo die Antworten statistisch, um den Verzerrungen in der Stichprobe entgegenzuwirken. Die Gewichtung erfolgt mittels IPF-Verfahren (Iterative Proportional Fitting).

Neben räumlichen (Wohnort) und soziodemografischen Gewichtungskriterien (Alter, Geschlecht, Bildung) werden auch politische Kriterien beigezogen, wie das Stimm- und Wahlverhalten oder die regionale Parteienstruktur.

Schätzgenauigkeit von +/-1.2 Prozentpunkten

Durch die Gewichtung wird eine hohe Repräsentativität für die aktive Stimmbevölkerung erzielt. Der Stichprobenfehler, wie er für Zufallsstichproben berechnet wird, lässt sich nicht direkt auf politisch gewichtete Opt-in-Umfragen übertragen. Die Repräsentativität dieser Befragung ist jedoch vergleichbar mit einer Zufallsstichprobe mit einem Stichprobenfehler von +/-1.2 Prozentpunkten.

Den ganzen Bericht zum Wahlbarometer vom Juli 2023 finden Sie hier

SRF 4 News, 05.07.2023, 17 Uhr

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