Dank des Zertifikats können wieder mehr Freiheitsrechte ausgeübt werden. Daher ist es sinnvoll und zulässig, beim Kino- oder Restaurantbesuch auf die 3G zu setzen. Dies sagte jüngst die liberale Ökonomin und Publizistin Karen Horn im Gespräch mit Radio SRF . Nun erklärt sie, weshalb Freiheit nicht mit einem Leben ohne Regeln gleichzusetzen ist.
SRF News: Mit Ihnen spricht sich eine liberale Ökonomin für die Zertifikatspflicht – und damit für eine Freiheitsbeschränkung – aus. Wie kommt es dazu?
Karen Horn: Liberal zu argumentieren, heisst nicht, nur auf die Wirtschaft zu schauen. Und: Freiheit bedeutet nicht, dass man alles darf. Meine Freiheit endet da, wo jene des anderen anfängt. Und mein Handeln darf niemandem schaden.
Freiheit bedeutet nicht, dass man alles darf.
Daher sichert das Recht unsere Freiheit nicht nur, sondern schränkt sie auch durch allgemeine Regeln und Pflichten ein. Das ist essenziell, damit das Gemeinwesen funktioniert.
So mancher Ungeimpfte empfindet diesen staatlichen Eingriff als indirekten Impfzwang. Was entgegnen Sie?
Von Impfzwang zu reden, ist polemisch. Niemand rammt Ihnen gegen Ihren Willen gewaltsam die Spritze in den Arm.
Die Menschen haben immer noch die Wahl.
Und noch nicht einmal eine Impfpflicht gibt es. Die Menschen haben immer noch die Wahl: Wer sich nicht impfen lässt, kann sich einem Test unterziehen.
Ab dem 1. Oktober allerdings nicht mehr gratis. Da wird schon ein gewisser Druck auf Ungeimpfte ausgeüb t.
Das ist unangenehm, gewiss, aber Tests kosten nun mal. Warum sollte die Gemeinschaft etwas subventionieren, das wohl im jetzigen Stadium der Pandemiebekämpfung ineffizient ist, sofern es die Menschen vom Impfen abhält? Und warum soll eine Mehrheit eine Minderheit unterstützen, die sie daran hindert, wieder näher an ein normales Leben heranzukommen?
Sie sagen also, unter gewissen Umständen ist es legitim, die Freiheit zu beschränken. Wie funktioniert diese Güterabwägung?
Freiheit ist nie schrankenlos. Und die Schranken dürfen eben nicht willkürlich sein. Der Staat muss vor allem auf zwei Gesichtspunkte achten: darauf, dass seine Massnahmen geeignet sind, ihr Ziel zu erreichen und darauf, dass er den Bürgern immer die Wahl und eine Möglichkeit lässt, sich anzupassen.
Nun, wo alle Zugang zu den Impfstoffen haben, setzt man mit Gratistests unabsichtlich Anreize gegen die Impfung.
Solange der Staat noch nicht in der Lage war, für alle eine Impfung anzubieten, war die Strategie der Gratistests sinnvoll und effizient – ohne sie hätte sich das Infektionsgeschehen gar nicht kontrollieren lassen. Aber nun, wo alle Zugang zu den Impfstoffen haben, setzt man mit Gratistests unabsichtlich Anreize gegen die Impfung – und dieser Nebeneffekt ist ineffizient. Ich bin sicher: Die Zertifikatspflicht, verbunden mit dem Ende der Gratistests, wird die Pandemiebekämpfung voranbringen. Das sehen wir in Frankreich: Dort war der Schub für die Impfungen durch den «pass sanitaire» enorm.
Bleiben wir beim Ausland: In Italien gilt für Fernverkehrszüge die Zertifikatspflicht. Würden Sie in der Schweiz die 3G-Regel für den öffentlichen Verkehr ebenfalls begrüssen?
Natürlich. Im Zugverkehr sind Menschen dicht beieinander, da ist die Ansteckungsgefahr gross. Aber dank der 3G-Regel kann ich Zug fahren, ohne Angst haben zu müssen, mich selber oder jemand anderes anzustecken. Das ist doch ein starkes Argument. Wichtig ist allerdings: Sollte das Zertifikat tatsächlich auf den öV ausgeweitet werden, müsste der Staat der Bevölkerung dafür genügend Vorlaufzeit geben, damit sie sich anpassen kann: Ungeimpfte, die sich nicht länger testen wollen, müssten bis zur Einführung noch genug Zeit haben, sich impfen lassen zu können.
Das Gespräch führte Evelyne Fischer.