In der aktuellen Asylstatistik des Staatssekretariats für Migration (SEM) sprechen die Zahlen klare Worte: Mehr als 12'000 Menschen sind in den ersten sechs Monaten dieses Jahres in die Schweiz gekommen. Im Vergleich zum Halbjahr 2022 ist die Summe der Asylgesuche deutlich angestiegen um 43 Prozent – in den letzten zehn Jahren sind nur im ersten Halbjahr 2016 mehr Asylgesuche eingereicht worden.
Reto Kormann, Sprecher des SEM, überrascht die Zunahme der Asylgesuche nicht. Natürlich sei der Anstieg von 40 Prozent relativ hoch, er habe aber mit diesen Zahlen gerechnet. Bis Ende Jahr geht das SEM insgesamt von rund 27'000 Gesuchen aus.
Europaweiter Anstieg
Die Zunahme an Asylgesuchen spürten andere europäische Staaten gleichermassen. Für Kormann ist die Aufhebung der Reisebeschränkung infolge der Pandemie ein möglicher Grund. Viele Menschen, die zunächst im Iran, in der Türkei oder auch sonst im Nahen Osten gestrandet waren, wanderten weiter. Aber auch die anhaltenden Konflikte in den betroffenen Ländern tragen ihren Teil dazu bei, erklärt Kormann.
Die meisten Asylgesuche in diesem Jahr kamen von Menschen aus Afghanistan, an zweiter Stelle steht die Türkei, gefolgt von Geflüchteten aus Eritrea, Algerien, Marokko und Syrien. Auffallend ist die Zunahme vor allem bei Menschen aus der Türkei. Die Mehrzahl der Flüchtlinge aus diesem Land seien Kurdinnen und Kurden, die aufgrund des Regimes Erdogan ihr Land verlassen müssten. Das SEM prüfe jedes Gesuch einzeln, um zu schauen, ob die Asylgründe erfüllt seien, so Kormann.
Momentan kein Notstand
Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider wollte Containerdörfer für die Asylsuchenden, ist aber im Ständerat mit dem Anliegen gescheitert. Trotzdem, es gebe noch keine Notsituation bezüglich der Bereitstellung von Unterkünften, sagt Kormann. Noch rund 4000 Plätze wären auf Bundesebene in Reserve vorhanden.
Falls die Zahlen im Herbst weiter stark steigen würden, müssten jetzt zusätzliche Unterkunftsplätze bereitgestellt werden. «Wir können nicht erst reagieren, wenn die Leute da sind», sagt Kormann. Das SEM ist in Gesprächen mit den Kantonen und der Armee. Man hoffe, nach den Sommerferien Klarheit über die Menge an Plätzen und Anlagen zu haben, so Kormann.
Die Kantone haben noch knapp fünf Wochen Zeit, die zusätzlichen Unterkünfte zu suchen, um die Schweiz auf eine allfällige steigende Anzahl von Migrantinnen und Migranten vorzubereiten.