Die Rolle, die Kinder und Schulen in der Corona-Pandemie spielen, ist seit einem Jahr umstritten. Fakt ist: In den letzten Wochen sind die Fallzahlen unter Kindern und Jugendlichen angestiegen. Besonders deutlich in Deutschland – bei Kindern bis 14 Jahren haben sich die 7-Tage-Inzidenzen in den vergangenen vier Wochen mehr als verdoppelt. Der Trend lässt sich auch in der Schweiz beobachten. Dagmar Rösler, die oberste Lehrerin der Schweiz, beobachtet die Entwicklung genau und mahnt zur Vorsicht.
SRF News: Die Fallzahlen unter Kindern und Jugendlichen steigen an, auch in der Schweiz. Es ist nicht geklärt, ob die britische Mutation B.1.1.7 oder vermehrte Tests hauptsächlich dafür verantwortlich sind. Bereiten die Entwicklungen dem Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer Sorgen?
Dagmar Rösler: Sorgen ist vielleicht ein zu grosses Wort. Die Zahlen bedeuten aber auch einfach für die Schulen, dass man mit Lockerungen vorsichtig sein soll und kein vorschnelles Aufheben bestehender Massnahmen in Betracht ziehen sollte.
Schulschliessungen sollten auf jeden Fall vermieden werden.
Ich habe selbst ein schulpflichtiges Kind. Als Elternteil hat man das Gefühl, Schulschliessungen oder auch Kita-Schliessungen seien seit längerem kein Thema mehr. Muss man sich angesichts der neuesten Entwicklungen wieder damit beschäftigen?
Hier ist man sich auf bildungspolitischer Ebene so ziemlich einig: Schulschliessungen sollten auf jeden Fall vermieden werden – und daran wird meiner Einschätzung nach auch weiterhin festgehalten.
Gefährdet sind insbesondere ältere Lehrerinnen und Lehrer, die zur Risikogruppe gehören. Wie nehmen Sie die Stimmung in der Lehrerschaft zurzeit wahr?
Das kommt tatsächlich auf die jeweils eigene Situation an. Es gibt Lehrpersonen, die sehr vorsichtig sind und sich vor einer Ansteckung fürchten, auch weil sie zum Beispiel einen vulnerablen Partner oder eine vulnerable Partnerin zu Hause haben. Wieder andere schützen sich einfach so gut wie möglich. Grundsätzlich ist man aber froh, dass man Unterricht vor Ort durchführen kann und die Schülerinnen und Schüler jeden Tag sehen darf.
Wäre eine «Impfbevorzugung» der Lehrerschaft nun umso mehr ein Thema?
Die Priorisierung der Lehrpersonen im nationalen Impfplan – zusammen mit anderen Berufsgruppen in einem Kontaktberuf – fordert der Dachverband LCH schon seit Januar.
Die Kantone, die Massentests schon durchführen, spüren eine Entspannung bei der Quarantäne-Situation.
Ein Grund für steigende Zahlen bei Kindern und Jugendlichen könnten wie erwähnt auch vermehrte Tests – auch mit Massentests – an Schulen sein. Was bringen diese aus Ihrer Sicht?
Der LCH hat sich immer – unter gewissen Voraussetzungen – für flächendeckende Spucktests an Schulen ausgesprochen – im Wissen darum, dass dies für Schulen einen zusätzlichen Mehraufwand bedeutet. Die Kantone, die diese Tests schon durchführen, spüren eine Entspannung bei der Quarantäne-Situation, die ja für Schule und Eltern auch alles andere als einfach ist.
Das Gespräch führte Matthias Schmid.