Seit Tagen hört man auf praktisch allen Kanälen, wie ausgelastet die Schweizer Spitäler sind. Eine breit angelegte Umfrage in der Deutschschweiz zeigt, dass dies auf praktisch alle Regionen zutrifft. Viele Aussagen der Spital-Verantwortlichen wiederholen sich und sind bereits bekannt. Aus einigen Orten ist jedoch auch Überraschendes zu hören.
Aarau: Kündigungen und verschobene Eingriffe
Die aktuelle Lage zeige sich so angespannt wie noch nie, heisst es beim Kantonsspital Aarau. Man habe schon Eingriffe verschieben müssen. Die Mitarbeitenden seien am Anschlag: «Das Personal leistet aktuell Unglaubliches, die Situation ist äusserst schwierig für sie. Sie betreuen die Patientinnen und Patienten bestmöglich, kommen jedoch zunehmend an ihre physischen und psychischen Grenzen. Die Folge ist, dass immer mehr medizinische Fachkräfte kündigen. In den vergangenen Wochen haben im Kantonsspital Aarau rund 20 Pflegefachkräfte ihre Tätigkeit aufgegeben und wechselten oftmals nicht den Betrieb, sondern gar den Job. Die Gründe sind vielfältig, liegen aber hauptsächlich in Erschöpfung und Überlastung.» Dies schreibt das Spital Anfang Dezember auf Anfrage von SRF.
Basel: Situation noch einigermassen ruhig
Die Zahl der schwer an Corona erkrankten Menschen, die in der Region Basel auf einer Intensivstation gepflegt werden, schwankt seit Tagen. Im Universitätsspital Basel befinden sich aktuell neun Personen in Intensivpflege, vor ein paar Tagen waren es noch 16. «Die Situation ist unter Kontrolle, aber angespannt», sagt Mediensprecherin Caroline Johnson.
«Wir wissen nicht, wie sich die Lage in den nächsten Tagen und Wochen weiterentwickeln wird.» Sollte es wegen einer Überbelastung zur Triage kommen, dann entscheidet die Überlebenschance und nicht der Impfstatus, ob jemand auf der Intensivstation weiterbehandelt wird oder nicht.
Bern: Erschöpftes Personal
Die Hirslandenklinik Beau-Site musste die Anzahl der Betten auf der Intensivsation von 10 auf 8 reduzieren. Grund seien der zunehmende Pflege-Aufwand und der sich verschärfende Personalmangel. «Zusätzlich müssen nötige Operationen von Tumor- oder Herzpatientinnen und -patienten zurückgestellt werden.» Diese aktuell betriebenen Betten seien zudem seit Tagen permanent besetzt – drei davon mit Covid-Patienten. «Das Personal ist erschöpft.»
Biel: Kein einziges Intensivbett frei
Im Spitalzentrum Biel sei momentan die gesamte Intensivstation belegt, heisst es auf Anfrage. Vier der neun Intensivbetten sind von Covid-Patienten belegt, wovon drei beatmet werden müssen. Die Situation sei angespannt und das Personal müde. Aktuell müsse man noch keine schwierigen Entscheidungen wie Triage treffen. «Wir weisen momentan aber täglich drei bis vier Anfragen anderer Spitäler zurück, die uns bitten, ihre Covid-Patienten zu übernehmen», heisst es weiter.
Kantonsspital Baden hält sich über Wasser
Das Kantonsspital KSB ist voll besetzt, der Betrieb laufe aber im Normalmodus, heisst es auf Anfrage. Den Mitarbeitenden gehe es soweit gut. «Schwierige Entscheide gehören für Mediziner – unabhängig von Corona – zum Alltag. Es wird nicht ganz einfach sein, diese Situation zu halten. Aber wir geben unser Bestes», heisst es beim grossen Aargauer Spital.
Graubünden: Viele Möglichkeiten vor der Triage
Rund die Hälfte der zehn Betten auf der Intensivstation seien in den letzten Wochen mit Covid-Patientinnen und -Patienten belegt, teilt das Kantonsspital Graubünden auf Anfrage mit. Insgesamt sei die Intensivstation aktuell zu 90 Prozent belegt, erklärt Mediensprecher Dajan Roman. Bis jetzt habe man in der aktuellen Welle noch keine geplanten Operationen verschieben müssen, dies könne sich aber jederzeit ändern. Eine Triage sei in Chur noch kein Thema. «Uns ist es wichtig zu betonen, dass es etliche Möglichkeiten gibt, bevor es zu einer Triage kommt.» Sollte es knapp werden auf der Intensivstation, würden zuerst Operationen verschoben oder nach Möglichkeit «ad-hoc»-Intensivbetten betrieben, betont der Mediensprecher.
Schaffhausen: Zu wenig Personal
Dem Kantonsspital Schaffhausen fehlt es an Personal. So komme es vor, dass nicht alle verfügbaren Intensivbetten bedient werden können, heisst es auf Anfrage. Ausserdem seien einzelne Operationen verschoben worden. Auf der Intensivstation des Kantonsspitals Schaffhausen sind Stand heute Mittwoch etwas mehr als die Hälfte der verfügbaren Betten von Covid-Patienten besetzt: Von derzeit sieben betreibbaren Betten sind deren vier mit Covid-Patienten und zwei mit anderen Patienten belegt.
Solothurn: Stark gefordertes Personal
Die Solothurner Spitäler können dringliche Behandlungen noch vornehmen, teilen diese auf Anfrage mit. Nebst Covid-Patienten behandle man eine grosse Anzahl Patienten mit anderen Krankheitsbildern. Die Zuständigen geben aber Folgendes zu bedenken: «Die Anzahl schwer erkrankter Covid-19-Patienten, welche stationär behandelt werden müssen, hinkt dem Ansteigen der Infektionszahlen hinterher». Für das Personal sei die aktuelle Situation nicht einfach. «Die Mitarbeitenden geben klar zu verstehen, dass sie von der Pandemie stark gefordert werden», heisst es bei weiter. Bisher sei es auf den Intensivstationen noch zu keinem Triagefall gekommen.
St. Gallen: Mitarbeitende physisch und emotional gefordert
Beim Kantonsspital St. Gallen sind aktuell mehr als die Hälfte der Intensivpflegeplätze mit Beatmungsmöglichkeit von Covid-Patienten belegt. Philipp Lutz, Medienbeauftragter des Spitals schreibt: «Die Intensivstationen sind sehr voll und es bleibt aktuell kaum Spielraum. Die Lage ist zwar noch kontrolliert, aber sehr angespannt.»
Die Mitarbeitenden auf den Intensivstationen, in der zentralen Notfallaufnahme und auf den Corona-Stationen würden nun schon fast zwei Jahre physisch und emotional gefordert, so Lutz weiter. «Es gab deshalb auch bei uns vorab unter dem Intensivpflegepersonal vermehrt Abgänge», schreibt Lutz. Diese Vakanzen seien aber sehr schwierig zu besetzen, da die Personaldecke vor allem im Pflegebereich auf den Intensivstationen schweizweit noch dünner geworden sei. Noch habe man keinen generellen Stopp von nicht-dringlichen geplanten Eingriffen verhängt. Einzelne Eingriffe hätten aber bereits verschoben werden müssen. Allerdings: «Nimmt die Anzahl an Covid-Patienten weiter stark zu, werden wir nicht darum herumkommen, gewisse
Thun: Jeder zweite Operationssaal geschlossen
Die Intensivstation im Spital Thun sei «praktisch voll», heisst es auf Anfrage. Momentan werden über 30 Covid-Patientinnen und Patienten stationär behandelt, davon fünf auf der Intensivstation. Wegen fehlendem Personal kann das Spital aktuell nicht alle verfügbaren Intensivbetten auch tatsächlich belegen. «Der Druck auf den Betrieb und das Personal ist gross», heisst es. Denn praktisch täglich treten mehr Patientinnen und Patienten ins Spital ein als aus, auch weil es seit einigen Wochen einen allgemeinen Anstieg bei der Anzahl Patienten gibt. Eingriffe strukturiert zu reduzieren. Darauf bereiten wir uns vor.»
Die bestehende Infrastruktur des Notfallzentrums ist derzeit so stark belastet, dass provisorisch andere Räumlichkeiten zu Warte- und Behandlungsorten umfunktioniert wurden. Ausserdem werden nicht dringliche Operationen verschoben. Die Hälfte der Operationssäle wurde geschlossen. Das Personal dieser Stationen soll nun die Teams der Intensivstation, des Notfalls und der Covid-Station unterstützen.
Thurgau: Zertifizierte Plätze überbelegt
Auch bei den Spitälern im Kanton Thurgau heisst es, dass rund die Hälfte der Intensivpflegeplätze mit Covid-Patientinnen und -Patienten belegt seien. Unter dem Strich seien die zertifizierten Plätze zu 110 Prozent ausgelastet, schreibt Geschäftsführer Marc Kohler auf Anfrage.
Die Mitarbeitenden sind müde, frustriert und teilweise auch verärgert.
Die Monate der Krise hätten beim Personal Spuren hinterlassen. «Sie sind müde, frustriert und teilweise auch verärgert», so Kohler. Diese Woche habe man begonnen, erste bereits geplante Operationen zu verschieben.
Wallis: Nur noch zwei freie Intensivbetten
Das Spital Wallis hat an den beiden Standorten Sitten und Visp je eine Intensivpflegestation, insgesamt stehen 23 Intensivbetten zur Verfügung. Momentan sind 21 belegt, 12 davon mit Covid-Patienten. Aktuell sind also nur noch zwei Intensivbetten frei. Auch im Wallis ist das Personal knapp. Man konnte zwar zusätzliches Personal aus verschiedenen Abteilungen für den Einsatz auf der Intensivstation ausbilden, «doch haben sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus verschiedenen Gründen für einen Stellenwechsel oder sogar für die Aufgabe ihres Berufs entschieden». Heisst es beim Spital auf Anfrage.
Qualifiziertes Personal zu finden, sei momentan schwierig, eine Triage aber noch nicht nötig. Erst werde man versuchen, die Patientinnen und Patienten in andere Spitäler zu verlegen. Ausserdem wolle man bald mehr Intensivbetten betreiben, indem man nicht zwingende Operationen absage.
Zentralschweiz: Operationen werden verschoben
Vom Luzerner Kantonsspital heisst es auf Anfrage, die Situation bleibe unverändert angespannt. «Die Auslastung ist in allen Bereichen hoch und die Ressourcenplanung eine Herausforderung.» Nach wie vor weist der Kanton nur wenig freien Platz auf den Intensivstationen aus – Stand Dienstag waren noch 7 von insgesamt 41 Betten unbesetzt. Das ist ein ähnliches Bild wie vor einer Woche, als der leitende Infektiologe Marco Rossi gegenüber SRF meinte, sie müssten «nicht dringliche» Operationen verschieben. Dazu gehöre zum Beispiel das Einsetzen von künstlichen Hüftgelenken. Die Kapazitäten zu erhöhen sei unmöglich: «Uns fehlt das Personal.» Der Arbeitsmarkt sei ausgetrocknet, so Rossi weiter. «Unser Auftrag ist eher, zu jenen Mitarbeitenden Sorge zu tragen, die noch bei uns sind. Sodass sie nicht krank werden und eventuell sogar den Job aufgeben.»
Auch im Kanton Schwyz bleibt die Situation seit einer Woche angespannt. Aktuell ist noch ein Bett frei auf den Intensivstationen. Vor drei Wochen hatte man begonnen, Routine-Operationen zurückzufahren, um auf der Intensivstation genügend Personal zur Verfügung zu haben. Schon vor einer Woche hiess es: «Seit Anfang November sind die verfügbaren Beatmungsplätze durchgehend besetzt – fast immer durch Covid-Patienten. Alle Covid-Patienten auf der Intensivbettenstation waren ungeimpft und oft auch unter 60.»
Zürich: Am Unispital entspannt es sich
Auch in Zürich bleibt es angespannt auf den Intensivstationen. Einige sind voll oder beinahe voll belegt. Punkto Auslastung gibt es jedoch Unterschiede zwischen den Spitälern – auch was die Anzahl Covid-Patienten betrifft. So sind zum Beispiel in Uster drei von den sechs betreibbaren Intensivbetten mit Covid-Patienten belegt, während es in Winterthur und dem Universitätsspital Zürich etwas mehr als zehn Prozent sind. Die Intensivstationen des Stadtspitals Zürich sind zu einem Viertel mit Covid-Patienten besetzt, alles Ungeimpfte.
Beim Universitätsspital scheint sich die Lage in den letzten Tagen aber etwas entspannt zu haben. Dies bestätigt die Medienstelle auf Anfrage. Anzumerken sei aber, dass die Engpässe nicht primär durch die Zunahme von hospitalisierten Covid-Patienten entstünden, sondern aufgrund des Personals – etwa wegen Kündigungen oder Krankheitsausfällen.
Nach bald zwei Jahren ist das Personal an der Belastungsgrenze.
Das Personal auf den Intensivpflegestationen sei sehr stark gefordert, schreibt auch die Zürcher Gesundheitsdirektion auf Anfrage von SRF: «Nach bald zwei Jahren ist es sicher an der Belastungsgrenze und dürfte auch in den nächsten Wochen sehr gefordert sein.» Hinsichtlich der Triage stellt die Gesundheitsdirektion klar, dass man unterscheiden müsse. «Weiche» Triage-Massnahmen – etwa das Verschieben nicht lebensnotwendiger Eingriffe – würden die Spitäler aufgrund der Lage bereits vornehmen. Eine «harte» Triage, bei welcher aufgrund von Ressourcenknappheit keine intensivmedizinische Behandlung eines Patienten erfolgt, habe es in dieser 5. Welle nach Informationen der Gesundheitsdirektion noch keine gegeben.