Die allerletzten Absprachen, geheime Pläne und vielleicht sogar einen neuen Sprengkandidaten: All das hat es schon gegeben in der Nacht vor der Bundesratswahl. Dann nämlich treffen sich an der Bar des Berner Nobelhotels Bellevue traditionell Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Medien.
Doch nicht nur die Wahl weckt das Interesse der Anwesenden im Hotel, gute hundert Meter neben dem Bundeshaus. Auch Fussball wird geschaut, 1:4 liegt die Schweiz im WM-Spiel gegen die favorisierten Portugiesen bereits zurück.
Die Sache ist längst nicht entschieden. Wahlen sind immer unberechenbar.
So deutlich wie beim Fussball sei die Ausgangslage bei den Wahlen am Mittwochmorgen nicht, sagte Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter. «Die Sache ist längst nicht entschieden. Wahlen sind immer unberechenbar.» Es ist längst nicht die letzte stark strapazierte Phrase an diesem Abend.
Wahlausgang sei noch ungewiss
Der Fokus ist klar aufs Schlüsselspiel vom Mittwochmorgen gerichtet. Jetzt muss auf Sieg gespielt werden. Jeder kann potenziell jeden schlagen, aber stimmt das auch? «Wir wissen nicht, wie es ausgehen wird. Daher ist heute vielleicht tatsächlich der Match etwas interessanter», sagt eine sichtlich nervöse Sarah Wyss, SP-Nationalrätin aus Basel. Derweil kassiert das Schweizer Fussballteam bereits ein weiteres Tor.
Am Mittwoch erlebt Wyss ihre erste Bundesratswahl als Wählende. Sie wolle einfach mal den Vorabend im Bellevue erleben, sagte die Baslerin. Und Grünen-Präsident Balthasar Glättli mahnt mit einem Bier in der Hand: Ein Spiel sei die Wahl am Mittwoch nicht, sondern vielmehr eine ernsthafte Aufgabe.
Können an der Bar so kurz vor Schluss also doch noch letzte Stimmen für die Wahl eingesammelt werden? Einer, der das versuchen dürfte, ist der Basler SP-Regierungsrat Beat Jans. Als ehemaliger Nationalrat ist er erfahren in Sachen Bundesratswahl und extra angereist, um «seine» Kandidatin Eva Herzog im Schlussspurt zu unterstützen.
Ich werde den einen oder anderen auf ein Bier einladen, auf meine Kosten.
«Ich werde den einen oder anderen auf ein Bier einladen, aber das wird wahrscheinlich alles auf meine Kosten gehen», erklärt Jans seine Strategie. Das Basler Spesenbudget immerhin bleibe unangetastet. Echte Mehrheiten im Bellevue zu zimmern, das habe es schon lange nicht mehr gegeben, sagen jene, die schon mehrfach dabei waren.
Baume-Schneider im Vorteil?
SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann hat sich vor dem grossen Tannenbaum im Bellevue-Foyer aufgebaut. Sie sei fürs Netzwerk da. «Ich glaube nicht an diesen Mythos, dass hier ganze Meinungen kippen könnten.» Albert Rösti werde souverän gewählt, sagt die Zürcherin.
Ich glaube nicht an diesen Mythos, dass hier ganze Meinungen kippen könnten.
Nicht ganz so klar sei die Ausgangslage bei der SP. Steinemann sieht Baume-Schneider, der lange eher geringere Wahlchancen bemessen wurden, zum Schluss sogar leicht im Vorteil. «Und weil niemand den Überblick hat, bleibt es ja so spannend und unberechenbar bis morgen», so die SVP-Politikerin.
Ein Spiel dauert ja bekanntlich 90 Minuten. Vor dem Bellevue hupen derweil die Portugiesen. 6:1 lautet das Schlussresultat. Zumindest im Fussball ist die Sache dann irgendwie doch ziemlich klar.